Neujahr 2017, sechs Uhr morgens

 

Das steckt so in den Leuten drin,

man will das alte Jahr, sagt man, vertreiben,

und jeder denkt, wenn’s knallt: Ich bin!

Kein Stäubchen soll vom Alten übrigbleiben!

 

Es rumst auf jedem Trottoir,

wer ängstlich ist, bleibt hinter der Gardine.

So tritt der Mensch ins neue Jahr,

mit Krach und Sekt, gewiefter Kennermiene.

 

Ein Rätsel, was das Morgen bringt,

der Jahresabschluss ist ein Jährchen offen.

Mit Gutem rechnet man bedingt

und wartet ab, setzt erst mal nur aufs Hoffen.

 

Was Hoffen angeht, sind wir groß,

noch schwelgen wir in schönen Reflexionen.

Doch Wirklichkeit ist mitleidlos,

uns Menschen bleiben bloß die Illusionen.

 

1.1.17

 

Letzte Chance

 

Das Jahr ist rum, was soll man weiter sagen.

Ob es ein gutes war? Wer weiß das schon.

Doch hört man landesweit noch keine Klagen,

man lebt ganz gut mit seiner Illusion.

 

Das neue Jahr, es steht schon vor den Türen.

Wir drücken Daumen, dass es Frieden bringt,

dass wir vom kleinen Zipfel Glück was spüren,

das man fürs Dasein braucht ganz unbedingt.

 

Die letzte Chance, sich auch mal zu besinnen,

sich rauszuwühlen aus dem Muff und Mief,

das nächste Jahr soll klüger doch beginnen.

Mal sehen, was da kommt. Es geht schon schief.

 

24.12.14

 

Zeitgenössisches

 

Ein Gedicht, geschrieben

in der ersten Nacht des Jahres, Raketen

knallen, vorzüglich geeignet, unsere Leere

zu verdecken

 

Die Großstadt nach irrigem Rausch

ihre alten Toten ruhen im Sande des

Erinnerns, wir treten auf sterbliche Reste

Tote vollbringen keine Wunder, ungeboren

die Lebendigen, meine Hoffnung

ist minimal

 

Dunkel drückt der Himmel

auf steinerne Leiber, das Gros der Stadt schläft

ohne Geheimnis, von Künftigem will es

nichts wissen, rastlos geschäftig

hat es sein Sterben verklärt

 

Ich übertreibe nichts, vermute nichts

entspreche keinerlei Erwartungen

die Schwerkraft der Stunde

lastet auf mir

 

1.1.15

  

Weihnachten und die ganze Chose

 

Dann wolln wir mal, hinein ins Freudenfest!

Im Herde schmort der Weihnachtsgänsebraten,

die Frau des Hauses ist enorm gestresst.

Bei Nachbarns hören wir paar Männer skaten,

doch wer gewinnt, bleibt uns ein Rätselraten.

Auf jeden Fall sind sie nicht bibelfest.

 

Die Lichter strahlen, alle strahlen mit.

Wie gut, noch gibt es solche stillen Feste,

das schafft dem Leben doch sein Kolorit.

Und ach, wie schön, die vielen grünen Äste,

die Nordmanntanne ist nun mal die beste.

Doch jetzt wird reingehaun mit Appetit!

 

Drei Tage später dann der Tannenstrunk,

ich neben mir, als sei ich bloß mein Double,

auf geht es an des Baumes Fledderung.

Noch halb benommen von dem Weihnachtstrubel,

die Taschen leer, kaum einen blanken Rubel,

betracht ich grübelnd den Lamettaprunk.

 

Und dann – das alte Jahr ist fast schon rum,

aufs neue müssen wir noch etwas warten.

Der Zeiger tickt, fast wird es uns zu dumm,

und bloß der Kater mimt den Superharten -  

jetzt könnte es so langsam aber starten!

Na endlich! Unsre Rathausuhr macht Wumm!

 

Wie es denn wird, fragt jeder sich im Raum,

der eine froh, der andre reichlich bange,

viel Aussicht auf Zufriedenheit gibt’s kaum.

Das bisschen Glücklichsein bloß von der Stange,

ob das wohl reicht fürs ganze Jahr, das lange?

Nun denn, das Jahr schlägt einen Purzelbaum.

 

25.12.15

 

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt

 

Nie liebte man die Armen mehr als jetzt,

die Hartzer, die Versehrten, Obdachlosen.

Voll Mitleid scheut das Bürgertum entsetzt

und spendet Weihnachtsplätzchen und Almosen.

 

Die armen Leute, die „das Schicksal“ beutelt,

das Gott uns füglich zugedacht

(an seiner Weisheit wird nicht rumgedeutelt),

bestaunen selig diese Spendenpracht.

 

Selbst harte Rechner werden butterweich,

man zelebriert mit Pomp ein Spendenritual.

So kommt man heil ins Himmelreich,

auf nass, hach Gottchen nee, das war einmal.

 

Und Vater Staat entledigt sich der Pflichten,

man hat die Krise, schließlich eigne Sorgen.

Die Caritas wird’s gütig für ihn richten,

jaja, die schwäbsche Hausfrau denkt an morgen.

 

Ein jeder ist doch seines Glückes Schmied,

sagt sich, wer irgend Reichtum hat gerafft.

Das Armsein kommt vom Armsein explizit,

dozieren Professoren tugendhaft.

 

19.12.13

 

Osterausflug

 

Dies Ostern wird ein Fest der besten Sorte.

Und wie es aussieht, fahren wir mal raus

ins Grüne, wir lassen das Service im Haus

und krümeln aus der hohlen Hand die Torte.

 

Vielleicht mal Sanssouci des Alten Fritzen,

ein Tipp wär auch vielleicht der Müggelsee,

das passt ganz klassisch ins Berlin-Klischee,

nicht immer nur im nahen Park rumsitzen.

 

Ich seh die Landschaft schon vorübergleiten,

die S-Bahn ist so pünktlich wie sonst nie.

Mich kitzelt ein Gefühl von Anarchie,

fast ist es wie in längst vergangnen Zeiten.

 

Der Himmel ganz in Blau zum Träumen,

die Leute ringsum fein, im Sonntagsstaat,

fast schon wie Urlaub, den man vor sich hat.

Und auf die Torte rieselt's von den Bäumen.

 

Schon wird es Zeit, sich zünftig zu erheben,

der obligate Gang durchs Grüne dann.

Was keiner sich von uns erklären kann:

Als würden wir wie Honigbienchen schweben.

 

Und müde von dem vielen Rumspazieren,

die Bahn verspätet sich, ist überfüllt,

beginnst du dann noch Goethe zu zitieren!

Wie so was doch die Ostersüchte stillt.

 

17.4.14