Monolog im Schnee

 

O Schreck, es sieht nach Winter aus:

die Bäume kahl und in den Straßen Schnee.

Da bleibt mir wohl kein andres Resümee,

als mir zu sagen: Mach dir nichts daraus.

 

Weil sowieso: Ich bin ein Sommertyp.

Ich hab’s nicht gern, wenn mir die Nase friert,

den Winter find ich einfach deplatziert.

Ich mag ihn nun mal nicht, schon aus Prinzip.

 

Ging es nach mir, dann gäb es nur August,

und kein Geschäft wär die Kalender los,

der Winter kriegte seinen Gnadenstoß -

nur so, aus lautrer, reinster Lebenslust.

 

Zu dumm, den Winter gibt‘s in jedem Jahr.

Und nichts als Matsch und Modder in der Stadt.

Was hab ich diesen Winter gründlich satt!

Und dabei ist’s erst Anfang Februar.

 

2.2.17

 

Handvoll Vogel

 

Im Grunde bin ich nur ein Straßenspatz,

bin heimatlos, mein Nest ist abgeräumt.

Das hätte mir noch gestern nicht geträumt,

dass mir am Ende bleibt nur dieser Platz.

 

Die Handvoll Vogel übersieht man gern,

das graue Etwas in dem Straßengrau.

Doch hört man das Geschilp vor Tag und Tau,

weiß man, der kleine Vogel ist nicht fern.

 

Ich singe durch den wilden Stadtverkehr -

was schert mich ringsherum denn all der Lärm,

wenn ich die Herzen mit Gesang erwärm,

halb ungewollt, fast nur so nebenher.

 

24.6.13

                 

Das Winterchen

 

Der deutsche Winter lässt von sich was sehen:

Er streut ein bisschen Weißes in die Welt.

Und wenn von Nord die Winde etwas wehen,

dann hat Herr Petrus doch was angestellt.

 

Man geht jetzt tief verbiestert durch die Straßen,

hält Ausschau, ob der Trampelpfad gefegt.

Und immer gibt es Leute, die’s vergaßen,

und seinen Sturz merkt man sich schmerzbewegt.

 

Die Straßenbäume haben nichts zu lachen.

Mit Eis und Schnee bedeckt stehn sie herum.

Man müsste diese Ärmsten überdachen -

vielleicht ist die Idee gar nicht so dumm.

 

Das ist noch gar nichts, wie wir alle wissen,

der Winter buchstabiert sein Kleines ABC,

liegt sozusagen auf dem Ruhekissen.

Dem Frühling juckt schon mal der große Zeh.

 

17.1.17

 

Novembersonne

 

Ein Rest von Sommer,

Jetzt, wo die Nächte erkalten,

Die Rosen unterm Raureif ersticken.

Leise all diese Abschiede.

 

Die langen Schatten.

Flüchtig der Traum von Landschaft.

Ein Schwarm sibirischer Krähen.

Schon wieder.

 

Ein Hoffen, nie erfüllt:

Anhalten das Jahr, die Jahre,

Rückwärts drehen den Erdball.

Wer das könnte.

 

14.11.16

  

All diese Sommer

 

Wohin sind die

Gleißenden Tage der Sommer,

Als wir bedenkenlos durch die

Grünen Himmel der Wälder liefen.

So leicht war’s ums Herz.

 

Göttergleich

Warfen wir uns in die Tage,

Gesang und Wein Anfang und Ende.

Doch kurz die Nächte des Juni,

kurz die Sommer.

 

Nun der kahle Herbst,

Grau drückt der Himmel auf die Dächer.

Schwer zu glauben, dass in diesen

Straßen, hinter diesen Fenstern

Jemals der Sommer war.

 

15.10.16

  

Fast ein Liebesgedicht

 

Stirb, Mond,

Erblass zu fahlem Gestirn,

Sterne, schließt eure Diamantennaugen:

Die Amsel, meine Amsel,

Singt nicht mehr.

 

Hockt in den Bäumen.

Gestern noch erwacht ich mit ihr,

Aus schönsten Träumen riss sie mich.

Doch trüb heute mein Morgen,

Straßenspatzen zerzwitschern

Mir Laune und Lebenslust.

 

Und weiß denn keiner,

Warum die Amsel, meine Amsel,

Verstummt ist?

 

2009

 

Wintertode

 

Nichts wird uns erlassen

in diesen Regionen, wo alles

zu Glanz erstarrt, wo selbst die Herzen

eher ihren Rhythmus leugnen,

als sich zu verraten.

 

Wann es begann, ich weiß es

nicht mehr, seither sterben die Träume

so sonderbar, so geräuschlos -

sie folgen den alten Frauen in ihre

kleinen, einsamen Tode.

 

Kaum Nachricht

aus schneelosen Wintern, aus

schlafenden Wurzeln alter Platanen,

wenn von uns nur Worte bleiben

von seltsamer Unkenntlichkeit.

 

8.12.15 


Verse, rot vor Mohn

 

Im Vorbeifahren sehe ich

den Mohn rot über die Wiesen gestreut,

und ich wünschte, du hieltest an, 

wünschte, mich in die blutende Landschaft

zu wühlen wie ein Hund.

 

Aber du hinterm Lenkrad

hast keinen Blick für Schönheit,

vor dir die exakte Spur der Autobahn,

du lachst und leugnest das Feuer

des Mai.

 

Vielleicht ist es das letzte Mal,

dass ich neben dir sitze, ich, der ewige

Beifahrer an deiner Seite, und den Mohn

bestaune durch die Autoscheibe, nichts als

den brennenden Mohn.

 

7.12.15


November

 

Plötzlich waren sie da,

die Krähen aus den Weiten

Sibiriens. Sie jagten über den Himmel,

ihre wilden Schreie zerrissen

die Novemberstille.

 

Entlaubt die Bäume

im Park, traurig streckten sie

ihre Äste in den Nachmittag, und nur

die Büsche noch erinnerten an

die grünen Tage des Sommers.

 

Ich lauschte dem Sand

unter meinen Schritten, und am

Himmel, der die Dächer antippte,

die schwarzen Künder

nahenden Winters.

 

15.11.15

 

Eines Nachts

 

Da saß ich des Nachts

und sah die zwei Sterne, Brüder,

die sich nicht trennen können,

namenlos für mich, und ein

zärtlicher Wind fuhr

durch die Pappeln.

 

Und ich wusste,

als der Himmel mich ansah,

am Morgen werden die Sterne

über die Dächer der Stadt

gewandert sein, ruhlos

kreisend im All.

 

Durch den Schlaf noch

die Brudersterne, ich staunte

und träumte doch, beneidete sie

um ihr Überdauern, und wie Gesang

das lebendige Rauschen

der Pappeln.

 

28.10.15


Novemberahnen

 

Uns bleibt ja der Himmel

über den Dächern, der die Schönheit

der Wolken in ihrer Vergänglichkeit

nicht spurlos verweht.

 

Und in stille Straßen gestreut

das Laub dieses Jahres, noch im

Vergehen trotzt es dem Reif

des Novembers.

 

Dass wir etwas wie Trauer

verspüren, wenn wir atemlos in den

Himmel blicken und wissen,

morgen wird er ein anderer sein.

 

22.10.15


Paar Zeilen Herbst

 

Er kam plötzlich,

der Herbst, mit dünnem Regen

und frühem Gilben des Laubs,

kaum, dass die Kastanien

gefallen.

 

Verstummt die Straßen,

es ist, als liege die Stadt gefangen

in einem Tagschlaf, der um

Erwachen bettelt, ehe die

Abende kommen.

 

Und wie verzaubert

lausche ich dem Rauschen der

Pappeln unterm Regen, atme den Duft

feuchten Laubs allerwegen,

ganz ohne Wehmut.

 

16.10.15


Parkszene


Möglich, der neue Tag

bricht nicht an, der hagere Fremde

auf der Bank zeigt mir den Rücken,

ein Krähenruf, der nahe Herbst

verläuft sich im Ungewiss

des Frühnebels.

 

Nun der September.

Rings in den Fenstern der Leute Lichter,

noch sind die Bäume grün,

doch schon der erste Blätterfall,

der Fremde geht seinen Weg,

entvölkert der Park.


Ich erinnere mich

der Tage des Sommers mit den

schweigsamen Alten auf den Bänken,

einer blühenden Rose inmitten

vergilbenden Grases, keiner

wollte sie mähen.


18.9.15

 

Der Schrei


Schreie der Krähen

zwischen Straße und Dächern,

und du beruhigst dein Blut,

verschluckst den Schrei,

der aus der Kehle will.

 

Still nun die Straße

wie zuvor, nur ein, zwei

Laute menschlicher Äußerung

hinter Gardinen, ein Nichts,

das nichts verbirgt.

 

Du sitzt und lauschst,

und du erlebst diesen Morgen

als einen Freund, der mit dir

spricht ohne ein Wort,

als einen Wind. 


8.9.15

 

Sommermorgen

 

Leb diese Frühe,

der Morgen öffnet die Augen

wie einer, der lange anderwärts

weilte, wo Erde und Sterne

sich zärtlich berührten.

 

Allein die Schatten

beweisen den Lauf der Sonne,

wenn sie über den Dächern deiner

Stadt aufsteigt wie die Göttin

von Samothrake. 

 

Etwas wie Glanz in den

Straßen, die Mauern erhalten

die Farben zurück, und du hoffst

auf ein leises Glück, wofür

aller Sommer geschieht.

 

Und du weißt,

ein solches Glück gibt es

in Wahrheit nicht, leb diese Stunde,

eh sie vergeht, wenn all deine

Sommer enden.

 

30.8.15


Morgenregen

 

Ein kleiner Regen

rieselt ins Laub der kanadischen

Eiche, Duft feuchter Erde

steigt ins Zimmer.

 

Ich spreche mit der

Katze vom lang erhofften Regen,

sie antwortet mir mit vielen

kätzischen Vokabeln.

 

Lau schon der Kaffee,

ich greife zur Morgenzigarette.

Wie traurig: Im August

schweigen die Vögel.

 

17.8.15 

 

Ich sag nur August

 

Nachmittags, wenn die Stadt

ihren Augustatem in die Straßen bläst,

sich alles nach der Kühle alter Häuser sehnt,

die ihren Toren geschichtsträchtige Miasmen

entsenden, sieht es aus, als ließe sich

Dasein nur als Nichtstun ertragen.

 

Dann liegst du da, vom Stillstand des Tages

ermattet, registrierst mit halbem Ohr

die Geräusche der Straße, und plötzlich wird

das Muster der Tapete lebendig, wie du es

vorher noch nie bemerkt hattest und

später nie mehr wiederfindest.

 

Der Nachmittag zieht sich hin,

du denkst an nichts Bestimmtes, verbietest

dir jede Bewegung, du lauschst dem Gesumm

einer Fliege an der Fensterscheibe, hoffst noch

auf einen sanften Sommerregen, und dann,

endlich, ein lustloser Schlaf.

 

14.8.15

 

Unwetter

 

Es ist, als sei es

das erste Mal, dass die Häuser

sich krümmen unterm Regensturz,

den der empörte Himmel hinab

auf die Erde schüttet.

 

Klagen in den Lüften,

nie fühlten wir uns so nah

dem Ende der Welt, so hilflos

unbedeckt, all unsere Kenntnis

erweist sich als zweifelhaft.

 

Wir sind außer uns,

unfassbar, dass Winde und Wolken

ein Wort mitsprechen, wenn wir,

die Bewohner der Erde, auch noch

den Himmel verludern.

 

15.7.15 

  

Maiglöckchen

 

Die Trauer, die nun

in die Herzen zog um all die Toten

der zwölf Jahre – sie lächelt,

als sie spricht, doch ernst

ihre Augen.

 

Wir waren Kinder,

und es war Mai, der Wald

ein Grab der Toten letzter Kämpfe -

sie sieht mich an, als könne

ich ihr helfen.

 

Vögel sangen, nicht

vorstellbar, sagt sie. Und da

sahen wir sie - Maiglöckchen! Im Wald

der Toten. Wohl mehr als Glück,

sagt sie und lächelt.

 

6.7.15

 

Zu viel Glück

 

Da saß ich im blanken Licht

des Mai im Garten eines Cafés am See,

es roch nach Frischgebrühtem  

und faulenden Fischen.

 

Weit weg war ich, im Buch,

in einem fernen Leben, von Nebentischen

gedämpfte Stimmen, Gläserklirren,

Dunst kam vom See.

 

Es war Glück, zu viel Glück,

das Buch und die Stunden am See;

Glück, dachte ich, darüber schreibt,

wer viel Unglück erfahren.

 

7.5.15 

 

Im Licht

 

Durch diesen Frühling

treiben die Träume mich, durch die

Lichter des Mai, durch die

Tristesse stiller Straßen.

 

Diese Wege gehen,

Glück suchen im Strahlen

des Grün, das mir nachscheint als

kürzer werdende Schatten.

 

Leicht steigen Winde auf,

ich entlasse mich aus den Verliesen

der Kälte, nur Licht noch,

unerklärbare Sehnsucht

 

1.5.15

 

Morgenszene

 

Die Straße im Dämmer

des schweigenden Morgens,

ein Motorengeräusch weckt sie,

auf der Pappel meine Amsel

verstummt.

 

Ich entlasse mich aus der

Stille ins Ungewisse kommender

Stunden, mit müden Gefühlen,

noch zieht der Mond seine

Runde über der Stadt.

 

Über die Straße hinweg

Licht in zwei Fenstern, sie leuchten

wie Katzenaugen, der Morgen

wird blauer, die schneeweißen

Häuserblocks.

 

10.4.15

 

Frühling hierzulande

 

Frühling drängt in die Mauern

der großen Städte, in die kalten Straßen

der Viertel, dort, wo die Wärme

aus den Herzen gewichen und nur

Amseln die Morgen besingen.

 

Unglücke steigen herauf,

der neue Frühling kein neuer Ausblick,

es sei denn, man kauft ihn sich,

das Café nebenan wirbt mit dem

Glück unterm Gartenschirm.

 

Mitunter aber kehrt Glück zurück,

die alten Frauen im Stadtpark plaudern,

auf Bänken aufgereiht, dicht an dicht,

gleich Schwalben ausgangs des Sommers,

wenn alle Arbeit getan.

 

6.4.15

 

Meinetwegen Mai

 

Nun die Schwäne

wieder am Himmel, nun die Glut

des Frühlings in den Augen,

nun das Gift einer neuen Liebe.

 

Eingepasst den Rätseln

des Jahrs, dem grünenden Blut

in den Adern, dem Schwirren

der Schwalben.

 

Ausgedient die Winterseele,

hoch fliegen die Träume,

wer denkt schon an Herbst,

was weiß denn er.

 

29.3.15 

 

Vögel dort oben

 

Nichts heilt,

ich leugne: Da ist nichts

zu sagen, die Tage kommen

und gehen, gewöhnliche Tage.

 

Zeit  wächst hinaus über sich,

krempelt meine Geschichte um,

Wörter der Stille brechen ein

durch gläserne Mauern.

 

Ich liege im Licht,

in den Düften der Wiesen,

unter ziehenden Wolken,

Vögel dort oben.

 

22.3.15 

 

Dinge des Lichts

 

Mehr und mehr

das Gefühl von Sonntag,

wir lassen die Wimpern herunter,

versagen uns Träume.

 

Der Himmel grau, ein leichter

Regen, wir der Erde abgewandt,

allein mit dem Ungewissen,  

der nackten Dürftigkeit.

 

Geräusche aus weiter Ferne,

überm Horizont ein trauriges Licht,

wir verabschieden uns, wenn

wir nur wüssten, wovon.

 

21.3.15

 

Und wieder

 

Doch, das Frühjahr kommt,

sagenhaftes Grün wird sein, das Gelb,

das Rot und das erdige Braun,

der Schmerz der Farben.

 

Und Schatten werden die

Bäume werfen, die Uhren werden

Lieder spielen, so Schwäne

Flügel schlagen.

 

Wie leben mit so viel Gewissem,

mit diesem Dschungel der

Blüten, dem blauen Fliederbusch

hinterm Zaun.

 

19.3.15

 

Frühling in Berlin

 

Der Winter verläuft sich

zwischen Forsythienbüschen,

lau die Luft gebremster Autoabgase,

im Irak siegen jetzt die Unsern,

im TV zeigen sie ungern echte Leichen,

aber massenhaft Stürme der Liebe

aus deutscher Seife, EU-genormt.

 

Die Welt, in der ich Leben

lernen soll, Anfänger der guten Welt,

mit all dem neuen Lenz, dem verblödeten

Hass auf die Raucher, Höflichkeit

ist angesagt allerorten, niemand

bringt gern den anderen um

mit Zigarette im Maul.

 

Die Stadt hat es ja, ich laufe

durch Straßen von drüben, Mensch,

das war einmal, sagt man mir, jetzt

sind wir alle bloß Westen, die Mauer

als Andenken in Vitrinen zur

Jahrhundertshow des verlorenen

Verstandes, aber wer sagt es.

 

Das mit dem deutschen Boden

und dem Nie mehr! fault unterm

Mantel der Geschichte, und Putin

der Schreckliche lebt in einer anderen

Welt, jemand sagt: Entzückend, in den

Höfen miauen die Katzen, ach ja,

es wird Frühling in Berlin.

 

18.3.15 

 

Zeitzeilen

 

Ohne Anfang noch Ende,

wer weiß denn schon, warum Zeit

vergeht, die Gedanken an sie

Wirrnis, Zweifel, nichts Genaues.

 

Was bleiben wird, rätselhaft,

die Tage nur noch Geräusch beim

Umblättern des Kalenders,

die Zeit tickt am Handgelenk.

 

Sie passiert, Stimmen von

damals klingen ins Heute nach,

und dann wieder, schon wieder

gefangen im Jahr.

 

17.3.15 

 

Paar Zeilen Glück

 

Jetzt im März, wenn die Bäume

noch keine Schatten werfen

in die gleißende Sonne der Straßen,

wenn erstes Ahnen in der Luft,

 

krokusübersät die Parkwiesen

ihre verborgene Pracht offenbaren,

die Schritte der Menschen kindliche

Leichtigkeit vermuten lassen,

 

erwärmt sich deine Winterseele;

auch die laute Stadt hat ihre stillen

Viertel, benommen läufst du zu dir,

hoffst noch einmal auf März,

 

spürst dein Menschsein bis in

die Finger, dass da etwas ist, wofür

dir Worte fehlen, der Einfachheit

halber nennst du es Glück.

 

5.3.15

 

Meteorologie

 

Der Märzregen, wie er an

die Scheiben tropft, du spürst,

dein Tag wird nicht gut, keiner,

den du dir merken willst.

 

Und das Licht der Laternen

bricht sich an deiner Betrübnis,

dir fehlt etwas, du kannst es

dir nicht erklären.

 

Einstürzt dein Himmel

an Morgen wie diesem, es regnet

dir in die Seele, was in dir

klang, es schweigt.

 

3.3.15

 

Märzlicht

 

Die Sonne glänzt auf der

Giebelwand, schon überstrahlt sie

die Dächer mit ihrem Gold,

mit Licht und mit Tag.

 

Der Himmel verspricht Regen,

unwirklich das Leuchten der Straße,

zwischen Glanz und Dämmer,

Regenbogenlicht.

 

Häuser blicken mich an,

weiß und abweisend, und Bäume

strecken die Äste zum Himmel,

als flehten sie in den März.

 

1.3.15

 

Im späten Herbst

 

So gehen die Sommer dann

von uns, die Monde, die Jahre

das Heute wird unser Gestern;

ungewollt finden wir uns

 

im neuen Tag und das kleine

Hoffen lässt uns nicht los, da

müsste noch etwas sein, was des

Bewahrens wert.

 

Und wieder der Morgen

er graut durch die Straßen, die

die wir gut kennen, wir glauben

sie seien für ewig.

 

Aber die Sommer gehen, die

Monde, die Jahre, wir leben

geborgtes Leben, und ein Ahnen

in uns, was sein könnte.

 

25.2.15

 

Februaramsel

 

Die erste Amsel des Jahrs

auf der Pappel, ein junges Tierchen,

probiert schon mal Gesänge gegen

den Stadtverkehr.

 

Nicht leicht hat es

der Vogel, hier braust und rauscht

es durch das Dunkel, LKW gegen

hundert Gramm Amsel.

 

Schade, jetzt fliegt sie weg

und ich am Computer schreib‘s auf

nach Gehör, untröstlich amsellos

allein im Geviert der Wände.

 

23.2.15

 

Im frühen Jahr

 

Das Licht gleißt an manchen

Tagen des Februar, als wolle es

Abbitte tun, das Grau des Winters

fast vorbei, will es uns sagen, halb

schon in Lust das Leben, in Erwartung;

die karge Zeit im Rücken.

 

An Gräbern stehen wir

in winterlicher Verlassenheit, der Erde

gehören, die nicht mehr bei uns;

einzig Trost das Hoffen auf März

das Gelb der Forsythien, die

Farben des frühen Jahrs.

 

19.2.15

 

Januarspazieren

 

Im Grau des Januar

verschläft der Park die kalte Zeit;

mir träumt, es wäre Oktober und der

Ahorn, der schwarz jetzt die Äste streckt,

stünde in brennendem Rot.

 

Meine Schritte knirschen

auf Sand, leere Bänke säumen

leere Wege, es duftet nach

feuchter Erde und Vorjahreslaub,

nach der Trauer des Winters.

 

12.2.15

 

Kranichzug

 

Der Himmel, wie grau er ist,

wie hundertmal zertretenes Gras,

bleiern drückt er auf die Stadt,

unwirklich sein Grau, kaum

wird es Tag.

 

Dieser Himmel mit den

Räumen unendlichen Maßes, wir

Unwissenden, die mit dem Weltall

spielen; es schweigt, und die

Planeten rotieren.

 

Hier unten sein, nichts

Schöneres als solch ein Himmel

in seiner Weite, kaum siehst du

das Grau, nur die Kraniche,

die darüberziehen.

 

11.2.15

 

Lange Winter

 

Nun kehren die Winter wieder

wie wir sie kannten, mit ihrem Eis

dem Frost und der Trauer

kenntlich bis zur Unerträglichkeit

und wir glaubten schon an den

ewigen Sommer.

 

Vergeblich das Hoffen,

da ist kein Frühling, der uns die

Wärme der Tage bringt, wir tun,

als hätten wir die samtenen Nächte

vergessen, ohne Frost

ohne Eis.

 

Die bleiernen Himmel

belehren uns, nackt und wehrlos

vegetieren wir ohne Hoffnung,

lang sind die Schatten der Winter,

der Kirschblütenschnee

nur erst ein Traum.

 

9.2.15

 

Der andere Winter

 

Winterlich die Stadt,

Krähen sitzen auf den Drähten wie

auf Notenlinien, die warme Musik

ist verklungen.

 

Die kalte Zeit angebrochen,

abgebrochen der lange Herbst mit

lauen Tagen, im TV bebilderte

Blizzardstürme.

 

Wehrlos treten wir

in den Tag, die uns zusehen,

lächeln im Warmen, es ist Winter,

die Summe des Jahrs.

 

4.2.15

 

Nachtvisite

 

Nachts kommen die Toten,

die lang Vergessenen, ihre jungen

Gesichter, das ernste Lächeln, mit dem

sie deinen Schlaf erobern.

 

Was geschah, geschieht neu

auf wunderliche Weise, anders, als ins

Buch des Erinnerns eingeschrieben,

du spürst ihren Hauch.

 

Eintreten sie in die Lautlosigkeit

deines langsamen Sterbens, sie wissen:

auch du; du wirst ihnen gleichen

vielleicht schon am Morgen.

 

15.1.15

 

Reden vom Regen

 

Regen macht einsam,

unerwartet nimmt er die Sprache,

Regen als Ersatz für Tränen, der

letzte Versuch.

 

Beschreib die Stunde des

Regens, wenn die Schatten sterben

wie Menschen, deren Fehlen keinen

mehr kümmert, wenn die

 

Nachkommen Gräber schänden,

die Orchester Halleluja intonieren,

unüberhörbar, die Gegenwart

ihre Gefräßigkeit füttert.

 

Kein Ende der Welt, nur ein

kleiner Regen, kleines pathetisches

Reden vom Regen, gelesen hast du,

Bäume muss man lieben.

 

6.1.15

 

Winternacht

 

Beschwörende Menetekel

der Schatten sagen dir nichts,

du blickst hinauf:

 

Da die Planeten,

deren Konstellation du dir als ein Wunder

erklärst, von einem allmächtigen Wesen

erschaffen, das deinem Kopfe

entsprungen.

 

Bar jeden Widerspruchs, lautlos

geht die Stunde ein in die

Unauflösbarkeit jenes Rätsels,

von dem die Sterne künden,

Schweigen einzig die Sprache,

die deine Nacht versteht.

 

25.12.14

 

Am Spreekanal

 

Die Bäume nackt in sich zurückgezogen,

und grau die Luft vorm nahen ersten Schnee.

Geräuschlos fließt es unterm Brückenbogen,

fast leer schräg gegenüber ein Café.

 

November nebelt durch Berliner Straßen.

Auf Bürgersteigen noch das braune Laub,

das Wind und Wetter absichtslos vergaßen,

und unbemerkt verwirbelt blasser Staub.

 

Ganz melancholisch wird’s dir im Gemüte.

Erinnerst dich, wie‘s hier im Sommer war,

der jetzt kaum mehr ist nur als eine Mythe.

Beinahe riecht es schon nach Januar.

 

20.11.14

 

Winterzeichen

 

Kalt geworden das Land

und kein Halm noch, der nicht verwelkt.

Die Äcker nur bergen die Wintersaat.

Sagt, Vögel, wo fliegt ihr hin?

 

Gewoge am Himmel

von Vogelleibern, fliegenden Phönixen.

Und hinterm marmornen Weiß ein Blinken

von Sternen in der Umarmung.

 

Sehnender Blick hinauf, ins Grenzenlose.

Lasst mich nicht, ihr Vögel, lasst mich

nicht allein mit diesem Winter,

diesem Seufzer des Jahrs.

 

Ein paar Zeilen November

 

Nun ist es kühl, und vorerst wird’s nicht wärmer,

die Welt wird grau, und grau wird’s im Gemüte.

Der letzte Sommer ist kaum mehr als Mythe,

und man bedauert sich, man fühlt sich ärmer.

 

Und packt sich ein, man steht auf Winterjacke

und stiefelt durch das feuchte Laub zu Füßen,

denkt sich: Naja, der Winter lässt schon grüßen!

bei jeder noch so lütten Windattacke.

 

Das Jahr wird langsam, aber sicher müde.

November ist’s, man sieht es an den Bäumen,

man wärmt sich resigniert an warmen Träumen.

Und winkt dann ab mit stiller Attitüde.

 

4.11.14

 

Die Dinge der Stille

 

Stumm noch die Vögel,

du lauschst auf das Raunen

der Nacht, versunken in Bilder, die dich

nicht vergessen.

 

Der Stunde Zärtlichkeit

umgibt dich, du säst Gedanken, verascht,

bevor sie zum Keimen gebracht.

Hinweggeweht.

 

Schatten an den Wänden,

Giganten, Geister der Toten, die längst

begraben unter einer Woge

von Endlichkeit.

 

Noch will das Dunkel nicht fliehen,

dies die Fabel einer Nacht ohne Gedächtnis.

Zitternden Mundes sprichst du mit dir

in der zweiten Person.

 

28.10.14

 

Netze der Nacht

 

Dämmerung,

der späte Tag steigt in die Höfe,

die Nacht streunt durch die Straßen,

sie klopft an die Häusertore.

 

Die Stadt lauscht

aufs alte Gestöhn der Mauern, aufs

Schweigen, das die Seelen schwärzt.

Sie atmet die schweren Gerüche.

 

Der Himmel umarmt schon die Sterne,

er folgt den Spuren des Monds.

Und über Dächern sanft der Flügelschlag

eines verliebten Taubers.

 

Du zähl die Stunden der Nacht,

wäg nicht die Tage und Jahre,

die dir noch gegeben,

du kennst sie nicht.

 

14.10.14

 

Lamento

 

Jetzt macht das Jahr mal eine große Pause.

Vorbei ist nun, woran der Mensch so hängt,

das Licht, die Wärme, die der Sommer schenkt.

Ganz melancholisch sitzt man rum im Hause.

 

Es trauern schon die Felder und die Wiesen.

Wohin man immer blickt: Die Welt wird kahl.

Der Alltag läuft jetzt sozusagen schmal,

das Wetter kann ihn uns ganz schön vermiesen.

 

Den Blick nach draußen können wir uns sparen,

man seufzt sich eins zur Zeit bloß noch in Moll.

Adieu, du Sommer, denkt man wehmutsvoll

und träumt vom Urlaub auf den Balearen.

 

17.10.14

 

Septemberfrühe

 

Ein Rauschen in den Bäumen,

durch die Frühe wehte der Herbstwind,

Flug der Wolken und Silber des Mondes

über den Dächern.

 

Im Nirgendwo lagen die Schatten,

als der Morgen erwachte. Lautlos kam er,

noch wussten die Träumer sich geborgen.

Erst die Krähen vertrieben die Stille.

 

Hinter den Häusern hob ihr Haupt

die Herrscherin des Himmels, rotglühend

warf sie ihren Schein in die Straßen.

Und der Tag schrie in die Stadt.

 

9.9.14

 

Herbstghasel

 

Du denkst an Herbst, sobald ein Blatt gefallen

und sich am Himmel Regenwolken ballen.

Am Morgen drückt der Nebel in die Straßen,

wo Menschenschritte ungehört verhallen.

Die Tage werden stiller, willst du glauben,

wenn Tropfen an die Fensterscheiben prallen,

und selbst die Uhren, will es dir fast scheinen,

verhalten ihren Schritt mit Wohlgefallen.

Die Welt begibt sich in den Schlaf, will ruhen,

es naht der Herbst, die ersten Winde wallen,

du spürst, nun kommt die Zeit zum Träumen.

Wie Glas die Luft, ein Spiegel, wie kristallen.

 

7.9.14

 

Zwischentage

 

September, erste Kühle

der Nächte, Sonnen, umnebelt,

hängen tags über der Stadt, am

Horizont kalbende Wolken

 

Der Ahorn rötet sich,

Seidenlüfte in den Straßen,

der sterbende Weidenbaum

will das Jahr überdauern

 

Sinnend mein Schritt,

nichts scheint mir ewig, in jeder

Fiber, in jedem Gedanken

die eigene Endlichkeit

 

5.9.14

 

Chaussee

 

Wache Bussardaugen

über den Feldern, der asphaltharten

Landstraße. Äsende Rehe auf der

Wintersaat.

 

Ahornalleen, gehüllt

in die Wärme der Farben, trunken im

Rausch des Oktober. Lüfte wie Heu,

später, blutvoller Holunder.

 

Im Dunst, hinter dämmernden Äckern,

ein hölzerner Kirchturm. Kein Vogelflug

stört den Himmel in seiner Bläue.

Zikaden singen ein trauriges Lied.

 

31.7.14

 

Landschaft bei A.

 

Landschaft der Schmerzen,

aus Sand, aus Rillen von

Wagenrädern, es leuchten

die Wetter über den Feldern,

nie aber Sterne

 

Das Auge des Mittags

öffnet die Lider, Vögel suchen

den Schatten, die Pappeln

zwischen den Feldern

erstarren

 

Ein Kirchturm greift

in den Himmel, unbewegliche

Rinder im Sonnenglast

Dunst wogender Äcker, Winde

summen drüberhin

 

22.7.14

 

Parklandschaft

 

Ins Gras gelaufen,

ins jahrvergängliche, es wuchert

der Wegerich.

 

Stimmenlos das Weinen

der schönen Weiden. Ein Lichtsturz

über der Landschaft, schräg

überfällt er die Stadt.

 

Hier, unter Bäumen,

im Namenlosen, im Dunkel des Laubs,

Wege, die Tausende geschritten.

Moorig steigen herauf

die Gerüche der Erde, Kiesel schleudert

der Wind vor den Fuß.

 

Und der Pfuhl, zwischen Grün

und Grau, schlingt Birkenblätter

und Menschenstimmen

in seinen Schlund.

 

15.7.14

 

Am Oderpolder

 

Ein Weidenbaum,

Gras, Wolfsmilchblüten in den

Augen des Mittags,

die wiesenleichte Welt

 

Am Ufer der Oder stand ich,

blickte hinüber zum namenlosen

Kirchlein, hineingeträumt

ins Grün des Julitags

 

Übers Wasser wehte die

Glockenstimme, Gewölk über

der Landschaft, Wind trug

die Störche

 

Rauchumweht das Dorf

in der Mittagsglut. Dies die

einsamste Stunde, sie flammt

mir durchs Herz

 

9.7.14

 

Die alte Mühle

 

Vergessene Wege gehen.

Wald, der mich umgibt, Eingang ins

Herz der Welt.

 

Im Rausche der Wiesen

Gemäuer. Die zerbrochene Zeit,

Krähen nisten darin. Aus dem

Steingeviert quillt es grün, gewaltig

ein Mühlstein schläft

hinter Schatten.

 

Im Brunnen verdorren die Jahre.

Des Mühlbachs Quelle strömt, und

Erlenstämme bewachen eines

Schwanenpaares Nest.

 

Siebenmal gestorbene Zeit.

Wind in den Wiesen, wilde Margeriten

leuchten voraus.

 

8.7.14

 

Damals, im Erzgebirge

 

September warf Licht

in die Landschaft, wir gingen

erzene Wege, und als

anstieg der Berg

 

Die Vögel verstummten,

das Dorf lag in Ruhe, nah bei

den Büschen das Weggras in

unbestimmbarem Dunkel

 

Hell der Tag, der Wald schloss

sich mit Schweigen, vor uns das

Meer der Hügel, Dörfer,

versteckt unterm Himmel

 

Damals die Wiesen,

die Hügel, das Licht des Mittags

und die erzenen Wege –

jung waren wir

 

4.7.14

 

Visionen

 

Gestorben die sanften Tauben.

Versteint die Äcker, wo der Roggen wogte,

die Lerche den neuen Tag bejubelte.

Land der tausend Quellen, das einst

die Dichter besangen.

 

Totenflüsse gaben sich

in die Ebenen. Die Schuldlosen, die Arglosen

wenden sich ab, sie jauchzen und

lassen die brennenden Städte

hinter sich.

 

Was an Träumen noch lebt,

verendet im Sand des Vergessens.

Und die Wälder, die schönen Wälder,

nur Stümpfe noch in vertrockneten Sümpfen.

Vögel, wohin wollt ihr reisen?

 

29.6.14

 

Brachland

 

Diesen Pfad gehen,

die Fittiche der Engel des Wäldchens

schlugen nach mir.

 

Ein Hang, Septemberkräuter, Stimmen

der Heupferde. Das Flüsschen, ein Rinnsal hier,

atmete die Dünste Tausender Morgen.

Schrei einer Elster.

 

Landschaft, gebrochen,

Abraum der Übergangenen, Bescheidenheit

der Weidenröschen zwischen fauligem

Gerümpel, vergessend

das Vergessensein.

 

Traurig der Ruf

eines späten Kuckucks, ansteigender Hall

aus dem Krug der Verzweifelns.

 

26.6.14

 

Der Waldsee

 

Tag ist es noch.

Das Haar der Weide kämmt der südliche Wind.

Übers Wasser streicht wispernd die Brise.

 

Und hinab in den See taucht

die Ralle, schwer hängt der Schatten

darüber. Der späte Nachmittag wäscht das Gold

der Sonne im Spiegel des Wassers, schrill

der Pfiff eines scheuen Vogels.

 

Lüfte steigen auf, espenerschütternd.

Jäh ein Flügelschlag überm See, langhalsig naht sich

das Schwanenpaar dem verborgenen

Nestgewöll. Flirrend ein Schatten in der Birke.

Kein Vogellaut noch.

 

Dämmerung senkt sich auf den See.

Als sei sie ein Rauch.

 

23.6.14

 

Hellersdorfer Weg

 

Hier ist der Himmel weit,

unbeweglich liegt, gleißend im

Sonnenlicht, das offene U-Bahngleis,

Lebensader zur Stadt

 

In Sanddornbüschen schwer

die rötlichen Trauben, es riecht nach

Maschinenöl und sonnenheißem

Beton, kein Blatt, das sich regt

 

Die Balkone der Vorstadt

schweigen, das Panorama viel zu

groß, als dass der Abend früh

hierher käme

 

16.6.14

 

Sehnsucht nach Landschaft

 

Es sieht, wenn man so will, nach Frühling aus:

Die Straßen sind vom Nachtregen entstaubt,

am Morgen singt die Amsel laut vorm Haus,

die Pappelbäume sind schon dicht belaubt.

Man wünscht das eine nur: bloß raus, bloß raus!

 

Dann fährt man raus, wohin, wird kaum gefragt.

Es muss nur grün sein, reichlich Landschaft.

Erholung, weiter ist nichts angesagt,

man sammelt für den nächsten Winter Kraft.

Mallorca ist jetzt erst mal abgehakt.

 

Da krabbelt so ein Käferchen am Weg

und eine Wildschweinhorde grunzt von fern.

Jetzt ist man Mensch, grillt sich sein Schweinesteak,

man fühlt sich wie auf einem andern Stern,

genießt entspannt sein grünes Privileg.

 

Inmitten von Natur und dem Drumrum,

wo Bäume rauschen und manch Vöglein singt,

besinnt man sich und wird ganz plötzlich stumm.

Und mancher ahnt: Das ist naturbedingt,

denn andersrum, da wär es ganz schön dumm.

 

8.5.14

 

Abend

 

Tag, der sich neigt,

aus Licht, aus Stundengesang,

in den Abend hinab,

in verwehenden Rauch.

 

Mittags, einst,

das falbe Echo der Straße.

Ach, ich sah den Abend

schon kommen im weichen Atem

des Nachmittags.

 

Aus der Tiefe

der Wolken viel Schweigen.

Was aber lausch ich ihm nach,

dem gerundeten Tag,

unwiederbringlich.

 

21.4.14

 

Frühling in der Stadt

 

Als Stadtmensch hat man's nicht so mit dem Grün,

schon eher mit dem tristen Asphalt-Grau.

Erst sehnt man sich, sobald die Gänse ziehn,

dann sagt man sich: Ganz nett die Vogelschau.

 

Man wundert sich: Was? Grün der Ahornbaum?

Da wird's wohl endlich Frühling in der Stadt.

So mancher hat jetzt schon mal einen Traum,

der irgendwas von Urlaubsfotos hat.

 

Vorerst, nimmt man sich vor, geht's in den Park.

So'n bisschen Hin- und Herspazieren reicht.

Und ist die Landschaft auch noch etwas karg -

man ist schon ganz aufs Rasengrün geeicht.

 

Zurück im Haus, fühlt man sich fehl am Platz.

Da liegt die Arbeit rum, man muss was tun.

Und man verflucht die dumme Tageshatz.

Ach, wär man gegen die doch bloß immun …

 

23.3.14

 

Meine Straßenamsel (Triolett)

 

Die Straßenamsel weckt mich jeden Morgen.

Sehr pünktlich sitzt sie auf dem Ahornast,

vertreibt den Kopfschmerz mir und meine Sorgen.

Die Straßenamsel weckt die Stadt am Morgen.

Im ersten Grün sitzt sie, nur halb verborgen,

verlässt nie ihren Stammplatz Ahornast.

Der Straßenamsel Lied tönt durch den Morgen,

verträumt singt sie dort auf dem Ahornast.

 

26.3.14

 

Morgennebel

 

Ein Nebelschleier senkt sich auf die Stadt,

Laternenlichter blinzeln in den Morgen.

Man glaubt sich wie im Mutterleib geborgen,

auch wenn man es ganz furchtbar eilig hat.

 

Wohl selbst die Amsel hat ihr Rufen satt,

und auch wir Menschen haben unsre Sorgen,

wir tappen stumm durch diesen Nebelmorgen

und denken uns ins Häusliche anstatt.

 

Wie immer kommt der Nebel ungelegen.

Das Wetter hat mal wieder etwas angestellt,

doch ist es, so gesagt, nicht zu verachten.

 

Romantik watteweich statt Dauerregen,

wie weggezaubert scheint der Rest der Welt,

wie den November wir uns immer dachten.

 

7.3.14

 

Wer hätte das gedacht

 

Jetzt wird das Wetter angenehm,

man trägt die Jacke halb schon offen,

den Schal nur noch, weil's so bequem.

Und überhaupt. Und außerdem,

als ob der Lenz schon eingetroffen.

 

Ich schlendere durch meine Stadt,

die Spatzen, hör ich, sind recht munter,

nur in den Büschen noch kein Blatt.

Mir ist ein bisschen wie anstatt.

Ein Steppke ruft: "Hey, kommste runter?"

 

Die ganze Stadt erscheint wie neu.

Durch Wolken blitzt die junge Sonne,

beinahe schüchtern, etwas scheu.

Und bei mir denk ich: Toi-toi-toi!

Nein, sowas! Diese Lenzenswonne!

 

26.2.14

 

In't Jeheime

 

Ick hab diss janze Wetter jetzt mal satt.

Man müsste eijentlich wohin verreisen,

wo man een bissken noch für't Herze hat,

wo keene Träume dauernd bloß entgleisen.

 

Wo uff die Bäume so een Vogel tiriliert,

janz unbekannt, noch eener ohne Namen,

wo uff de Weide mir een Stier anstiert -

diss hätte wat von tüchtjen Melodramen.

 

So richtig Winter war't nich dieset Jahr,

diss Häufchen Schnee is ja gleich wegjetaut.

So'n Winter wird nich mehr, wat er mal war.

Der hattet von det Klima sich jeklaut.

 

Nun hoffen wa, dass balde Frühling wird,

mit grüne Bäume und all die Schikanen.

Man denkt ja fast, dass die Natur sich irrt,

keen Wetter hält sich heute an sein Planen.

 

Passiert ja nischt! Mir is wie jestern heut.

Jenaujenommen: Wie vor fuffzich Jahren.

Ick fühl ma wie een Mensch aus Zelloloid

und könnte mir diss janze Leben sparen.

 

Wär da nich sowat wie een Frühlingsglück,

diss leise schlummert jänzlich im Jeheimen.

Der alte Lenz, nee, kommt nich mehr zurück -

vom zweeten lässtet sich doch ooch jut träumen.

 

23.2.14

 

Nebelbilder

 

In Nebelschatten

gesunken das Schweigen der Höfe,

die Ödnis des rauen Tags.

 

Da gedachte ich deiner.

Eintrat ich in vergrabne Sätze,

aufflog aus Schatten ein Schmerz, jener

Blick, mit dem du maßest, was nicht

zu messen ist.

 

Dein Bild, das ich nie

vergessen, mit dem ich sprach –

wie nährender Nebel legt es sich auf

verflogene Versprechen.

 

Die Stadt, untätige Riesin,

öffnete sich, fächerweis. Haus um Haus

stieg auf hinter Gedünst, die schwarzen Arme

der Bäume schrien ob ihrer

schamlosen Nacktheit.

 

6.2.14

 

Der erste Schnee

 

Vielleicht stehst du wie ich im kalten Zimmer

und blickst hinaus auf deine weiße Straße,

du schließt erstaunt die Augen vorm Geflimmer -

die ganze Stadt hat plötzlich Wintermaße.

 

Der Schnee ist lautlos über Nacht gekommen.

Kaum wollt ich noch an diesen Winter glauben,

heut stehe ich am Fenster wie benommen

und zähl die Flocken, die vom Himmel stauben.

 

So was wie Glück strömt mir durch alle Glieder.

Noch einmal überlegt hat‘s sich der Winter.

Ein Wunder, es geschieht doch immer wieder.

Man kommt dem Wetter einfach nicht dahinter.

 

Ruf mich mal an, lass etwas von dir hören,

im Um-die-Ecke-Park mit seinen Bäumen,

wo nur die Hunde uns die Ruhe stören,

lässt es sich wunderbar zu zweien träumen.

 

27.1.14

 

Januarschimpfe

 

Ein Wetter ist es, recht zum Naseputzen,

der kleine Ärger liegt schon in der Luft.

Wer hat, kann seinen Regenschirm benutzen,

wer keinen hat, wirft sich in Gummikluft.

 

Und jagt mit Riesensprüngen über Pfützen.

Hinein in das Vergnügen! Und er flucht.

Stolz segeln sieht man herrenlose Mützen,

erschrocken rennt, der jetzt die seine sucht.

 

Verbittert schimpft man auf das miese Wetter.

Was ist ein Januar denn ohne Schnee?

Ein bissel Schnee, hach Gott, das wäre netter!

Erleichtert schlüpft man in sein Negligé.

 

7.1.14

 

Dezembersonett

 

Nun sind die Straßenbäume kahl und frieren,

vom Himmel tröpfelt es schon tagelang.

Was man so sieht vom Wetter, das macht bang,

wohl oder übel muss man’s akzeptieren.         

 

Jetzt pfeift der Wind wie wild durch alle Türen.

Ich lieg im Bett mit Halsweh, grippekrank,

verbittert schluck ich den Kamillentrank.

Warum muss immer mir das bloß passieren?

 

Was soll man sich vom Wetter auch erhoffen,

der Blick auf den Kalender lässt mich schauern.

Wo ich doch so die warmen Tage liebe.

 

Dezember, lese ich da leicht betroffen.

Naja, der kann ja noch ein Weilchen dauern.

Da wird mir der Kamillentee glatt trübe.

 

1.12.13

 

Novemberklage

 

November war nie deine Zeit,

du sagst, du bist ein Sommertyp.

Du passt dich an. Die Widrigkeit

verletzt dein inneres Prinzip.

 

Zwar fühlst du dich als Bigamist

mit den zwei Seelen in der Brust

(bist nicht topfit und kein Solist) -

bloß, mancher hat da durchgemusst.

 

In deiner Seele ist es grau,

der Herbst ist doch ein Egoist.

Du stutzt und staunst bei der Beschau:

Wie still so ein November ist.

 

24.11.13

 

Dämmerung II

 

Zärtlich

die Rufe der Mauersegler, heiß der

Atem der Blüten. Ein Sänger

Sitzt in der Pappel.

 

Ich lege das Buch

Beiseite, lausche dem Vogel. Nebenan

Scheppert Geschirr, ein Fernseher

Schwatzt, das Kind schreit.

 

Windzerrissen,

In den Fenstern, blitzen

Wolken, ein letztes Licht.

Ich sehe dein Lächeln.

 

23.11.13

 

Am Oderstrom

 

Zu meiner Euleneinsamkeit

wie Flut, wie Ebbe, im Spiegel des Stroms,

wogt das Schweigen.

 

Ein Feuer brennt.

Weiße Schlehen im Talgrund,

Schatten, die drüberhängen. Ich träume

im schönsten Jetzt.

 

Worte sind nicht mehr

als Worte. Und die Stille, die folgt, ist weniger

als ein Wort.

 

Nichts bleibt, nur die Stunde.

 

23.1.14

 

Im Stadtpark

 

Ein letztes Mal das Wetter noch genießen,

den Parkspaziergang, eh der Raureif kommt.

In Büschen siehst du Hagebutten sprießen,

die Rose weiß, was einer Rose frommt.

 

Ein Duft nach Pappellaub auf allen Wegen,

die letzten gelben Kräuter blühen noch.

Die Leute kommen raunend dir entgegen.

Sehr fern ein Specht mit kräftigem Gepoch.

 

Du liebst die Ruhe hier zur Mittagsstunde,

vergisst, was dich bedrückt noch an Beschwer.

Und melancholisch blickst du in die Runde:

Auch du zählst wieder einen Sommer mehr.

 

Ein Bild steigt auf in deiner Phantasie,

du siehst die Bäume glühn in Farbenpracht.

Und denkst schon mal an eine Elegie,

wenn dann ein Ahornblatt fällt über Nacht.

 

2.10.13

 

Herbstwehen

 

Septemberseufzer, Kühle

der Nächte, am Himmel nördliche Sterne.

Stunden wie Kiesel.

 

Leise gehen die Winde,

behutsam rötet der Ahorn sich. Bewölkt

der Himmel vom Vogelzug. Nebel, geronnen

zu Rauch, zwischen Zweigen und Ästen.

Schon, reglos, auf hohen Pappeln,

die schwarzen Boten des Winters.

 

Drunten

die alten Melancholien, dem Sommer nach.

Alles, alles sucht Schweigen.

 

16.9.13

 

Septemberregen

 

Es regnet, regnet ohne Unterlass.

Man hat den Sommer sich schon abgeschminkt.

Nur schwer erträgt man jetzt das kühle Nass.

Septemberregen, und die Stadt ertrinkt.

 

Man hat den Sommer sich schon abgeschminkt.

Den Rest von Sonne nimmt man mit ins Jahr.

Septemberregen, und die Stadt ertrinkt.

Man ist genervt und kaum noch ansprechbar.

 

Den Rest von Sonne nimmt man mit ins Jahr.

Als Mensch ist man ja einiges gewohnt.

Man ist genervt und kaum noch ansprechbar.

Wohl wahr, der Sommer hatte sich gelohnt.

 

Als Mensch ist man ja einiges gewohnt.

Nur schwer erträgt man jetzt das kühle Nass.

Wohl wahr, der Sommer hatte sich gelohnt.

Es regnet, regnet ohne Unterlass.

 

9.9.13