Eines Traums Erinnern
Nachts, wenn die Rosen blühen
den Schläfer Schatten des Tages quälen,
nachts ergibt sich die Kreatur ihrer
Wehrlosigkeit, die Schwärze legt sich auf
Mauern, und die nicht endenden Rätsel der Erde
erobern verschlossene Türen, betreten
die Räume wie kühler Rauch, bedrängen
den Schlaf des Menschen wie das Messer
das Fleisch seiner verderblichen Unschuld
Falter bevölkern die Nacht seiner Nächte
Was wird sein, fragen die Rosen
16.1.15
Sanssouci und so
Mich zog es abwärts in die
Gärten des Königs, dessen Gebein
ruht lange verschimmelt im Sarkophag,
nur die Saatkrähen von Potsdam
spielen ihm verschollene Melodien
Abwärts ging es, Stufe für Stufe,
Mai und die Sonne im schrägen Zenit,
die Krähen hatten längst aufgegeben,
der Chinese vorm Pavillon grinste zur
blattgoldenen Klampfe
Hier wandelten Majestät, meine
plebejischen Füße auf heiligem
märkischem Sand, ich lief durch Labyrinthe
dichten Gehölzes, ein Herkules protzte
mit göttlichem Muskelblick
Ewigkeit wehte herüber vom Schloss,
die Rasen gehorchten den Messern
unsterblicher Rasenmäher, fort trieb es mich,
preußischen Jahrhundertstaub hüstelnd,
Fridericus Rex sah es mir nach
9.3.15
Fußnotenverse
Gegen Gerüchte laufen, die Straße
unter den Füßen, vorbei an geschwärzten
Mauern, Glasaugenblicken
Du klinkst an bekannten Türgriffen,
hier raunen gestorbene Stimmen nach,
in den Wänden die Kälte vieler
Winter, Minusgrade der Fremdheit,
das Straßenpflaster allein
erträgt dich noch
Erinnerungen zählen nicht,
sie beweisen nichts, taugen allenfalls
zur überlesenen Fußnote
19.10.14
Resümee II
Zählst du mal durch, was du dir angeschafft,
dann musst du ehrlich sagen: Nitschewo.
Die Sonntagstassen nur noch bruchstückhaft,
mit der Gesundheit geht es grade so.
Da steht doch was in deinem Lebensbuche,
da war doch was. Und du warst so bescheiden!
Nun kramst du fieberhaft, bist auf der Suche -
es hieß: Die andern sollten dich beneiden.
Da ist die Locke einer kleinen Liebe,
der Brief kam von der Frau, die dich verließ.
Und wenn das alles wäre, was dir bliebe –
bewahrst im Herzen dir dein Paradies.
Der Plunderhaufen, sagst du dir kokett,
ist doch nicht schlecht. Ein Etwas immerhin.
So, leicht gewappnet, fühlst du dich komplett
und findest noch im Resignieren Sinn.
29.4.14
Herbstterzinen
Die Zeit, sie eilt. Du fragst: Was bleibt zurück?
Wenn's gut geht, pflegst du haufenweise Kerben.
Noch mal davongekommen. Das ist Glück.
Was wäre sonst von dieser Welt zu erben?
Die Liebe? Hat sich schnell doch ausgeliebt.
Für sie wie Romeo und Julia sterben?
Glück schon, wenn einer dir ein Lächeln gibt.
Du bist allein mit dir und deinen Sorgen
und spürst, wie dich das Leben weiterschiebt.
Und jetzt mal ehrlich: Fühlst du dich geborgen?
Du drückst dich in den kalten Schoß der Zeit,
hältst dich für frei, denkst selten nur an morgen.
Noch lebst du ja, noch ist es nicht soweit.
Voll Wehmut musst du manchmal daran denken,
dann spürst du diese Ausweglosigkeit.
So ist's: Das Leben hat nichts zu verschenken.
23.9.14
Last Ultimo
Man ist so lange tot, zu kurz ist unser Leben.
Dort unten ist es kalt, man ist mit sich allein.
Vorbei der schöne Spaß, es hat sich so ergeben.
So war es allezeit, so wird es immer sein.
Kein lautes Klagen hilft, kein stilles Insichgehen.
Das ist der Lauf der Welt, und das seit Anbeginn.
Wer gläubig ist und fromm, der hofft aufs Wiedersehen.
Und selig, wer da glaubt. Der sucht im Sterben Sinn.
Der Tod ist konsequent, es gibt kein Übersehen.
Wer hofft, er kommt davon, der irrt sich leider sehr.
Ein bisschen ungerecht, es müsste anders gehen -
wozu, so frage ich, ist man sonst Millionär?
4.9.14
Vogeltraum
Dämmer der Jahre.
Wie sie hintreiben, strömen, pulsen,
Blut in der Schläfe.
Über den Anfang nicht
hinausgekommen. In Häusern des Schlafs
ruhen die Träume. Die Zeiten
fallen uns auf die Füße, wir verbeißen
den Schmerz.
Die Wetter leuchten uns nicht.
Sogar die Vögel fliehen unseren Himmel.
Sogar die Vögel.
Was nicht vergehen will,
ist mir geblieben. Ein Vogelherz, vom
Fliegen der Vogeltraum. Eine Feder
ließ er mir.
13.7.14
Unterm Licht der Dinge
Die Sprache ein Brunnen, der nach
Wasser lechzt. Zufällige Sätze, irgendwelche.
gefangene Träume, gezeichnet von den
Regen schönen Vergessens.
Mühsam
das Lächeln, zeitlose Lügen, schaumgekrönt,
gekerbt von den Ketten der Höflichkeit,
Fähre in den jenseitigen Schlund des Scheins.
Das Wort eine blühende Legende für
Ungesprochenes.
Dein Brombeermund zittert.
Im Gewebe nächtlicher Versprechen,
groß in der Stille, das Räderwerk
versunkener Stimmen. Und schweigend
unterm Licht der Dinge die Trauer.
26.6.14
Enttäuschung
Da saß ich
im Fangnetz des Abends,
Bitterkeit im Herzen, Schatten
stürzten auf die Stille
Der Mond blutig,
das Zyklopenauge verwundet
von der Kälte
der kreisenden Erde
Kein Wind fragte
nach mir, kein Gras hörte
mich schluchzen, und
immer der Schmerz
2.7.14
Nah ist die Stunde
Durchs Herz geht der Tag,
fliehende Vögel verdunkeln den Himmel,
die Blüten schließen sich, nah ist die Stunde,
du gehst deinen Weg.
Kein Blick zurück, spurenlos heute
die Bilder des Vergangenen, spurenlos auch
die marmornen Wolken von gestern,
die Regen sind gefallen.
Wenn die Feuer der Fernen
zu Asche zerronnen, wenn die Vögel
vom Himmel gestürzt - dann ist es Zeit,
Zeit für wortlosen Abschied.
23.6.14
Betrogen
Vertraut wie die eigene Haut
ist dir der Gleichmut der Welt, in der sogar
der Zorn des Uhrschlags schweigt.
Unbemerkt stirbt dir dein Leben. Nicht
erinnern kannst du dich ans Gestern. Nur dieses
Ungewisse, das du nicht benennen willst und das du
in deinen Träumen, vielleicht, zutreffend
Lebensgier nennst.
Du raffst, was vom Tische fällt.
In deiner Narrheit, die grenzenlos ist,
glaubst du dich beschenkt. Und weißt es doch:
Du gehörst zum Inventar.
17.6.14
Randbemerkung II
Der Friedhof, das ist eine eigne Welt.
Die Welt der Toten, wie man seufzend sagt.
Die Gleichheit scheint hier wieder hergestellt,
auch wenn stolz Marmor über Gräbern ragt.
In dieser Welt des Efeus wird man zahm,
begreift erst jetzt, wie wenig Zeit man hat,
und sieht sein Leben als ein Melodram.
Und keine Aussicht jemals auf Rabatt.
Durch stumme Gräberreihen geht der Gang,
man denkt daran, was einem selber dräut.
Gesenkten Kopfs sitzt man auf einer Bank -
man ist ein wenig melancholisch heut.
Das hat man sich mal anders vorgestellt,
wenn's unvermeidlich an das Ende geht.
Ein letzter Blick auf diese zweite Welt:
Man hat noch Zeit, noch ist es nicht so spät.
7.5.14
Sozusagen umsonst gelebt
Du kennst die Tage, die nichts hinterlassen
als nur das eine: Dass sie einmal waren.
Nichts bleibt zurück, sie kommen und verblassen,
Du seufzst: Die könnte man sich doch ersparen.
Kein Punkt, kein Komma, ohne aufzublicken,
verliert das Leben sich im Sog der Tage.
Ach, bloß ein kleines Komma müsste glücken!
Dir wird das peu à peu zur Daseinsfrage.
So ist das Leben, hörst du öfter sagen,
besteht, soviel sei klar, nicht nur aus Festen.
Man sollte sich drei Wochen mal vertagen,
das dürfte reichen, wär vielleicht am besten.
30.4.14
Die Fettnäpfchen des Lebens
Im Leben tritt der Mensch in manches rein,
den Rosenzüchter- und den Sportverein -
er will dabeisein, immer vorneweg,
er kümmert sich partout um jeden Dreck.
Und kein Verein, der ihm dafür zu klein.
Er weiß genau, was grad der Nachbar macht,
sei es bei Tag und sei es in der Nacht -
moralisch misst er jeden Hammerschlag,
nimmt seinerseits den Hammer in Beschlag.
Er schimpft von morgens früh bis spät um acht.
Wohin er sieht, der Ärger wartet schon,
begreift auf einen Blick die Kollision.
Kein Mensch ist gegen solches je gefeit,
den Humbug kennt er schon seit Kinderzeit.
Doch jetzt vergeht ihm jede Illusion.
Im Leben tritt der Mensch in manches rein,
den Rosenzüchter- und den Sportverein.
Ihm hat sein Dasein tüchtig mitgespielt -
verantwortlich, wie er sich nun mal fühlt.
Warum denn nicht, der Fettnapf, der ist sein.
18.4.14
Mal scharf betrachtet
Der Mensch ist ohne Brille wie verloren,
denn seine Welt ist Watte bloß und Schaum.
Worauf es ankommt, das bemerkt er kaum,
verlässt sich deshalb häufig auf die Ohren.
Doch was er hört, ist kaum noch zu ertragen,
aus diesem Grunde hört er meistens weg.
Er schert sich nicht um andrer Leute Dreck,
er ist mit seinem eignen Dreck geschlagen.
Zum Kuckuck, diese Brille bleibt verschwunden!
Der Ärmste tastet blind sich durch die Welt.
Wer weiß, was er vielleicht noch angestellt,
hätt er sie nicht am Ende doch gefunden.
Jetzt ist er froh, jetzt kann er wieder kucken.
Und sieht, was er nicht wirklich sehen will.
Denn scharf betrachtet, denkt er für sich still,
hat diese Welt doch viel zu viele Mucken.
5.4.14
Vier-Wände-Sonett
Wenn man von Wänden redet, sagt man vier,
verwechselt sie mit seinem Innenleben,
man flucht der Ecken mit den Spinnenweben,
sucht nun vergeblich nach der offnen Tür.
Die Wände hat man sich einst selbst gebaut.
Und war noch stolz darauf, wie gut sie stehen.
Doch später hat man seufzend eingesehen,
dass man den Mauern viel zu sehr vertraut.
Jetzt irrt man ziellos in dem Käfig rum,
man kratzt am Mörtel, bohrt ein Schmuleloch,
auf dass ein bisschen Welt ins Dunkel scheint.
Die dicken Mauern waren reichlich dumm,
das weiß man jetzt, bereut sie schwer – und doch:
Man hat es ja mit sich bloß gut gemeint.
4.4.14
Man müsste
Ach, eigentlich – man müsste manches tun:
Gardinen waschen und die Fenster putzen.
Wozu, wenn sie doch wieder nur verschmutzen?
Ach nein, das Putzgeschäft muss erst mal ruhn.
Jaja, man müsste. Leider will man nicht.
Vielleicht, so denk ich mir, mal weit verreisen.
Es hängt nur an den smarten Zimmerpreisen,
denn das Budget ermahnt mich zum Verzicht.
Am besten gar nichts tun, man bleibt zu Haus.
Auch meine Couch hat ihre guten Seiten,
entspricht am meisten den Befindlichkeiten,
und ich bin prompt aus dem Schlamassel raus.
13.3.14
Sonett vom lichtlosen Tag
Der Tag verging, ein Tag ganz ohne Licht,
von dem ich einfach nichts zu sagen wüsste,
zu blass, als dass man ihn sich merken müsste.
Ein Tag ganz ohne irgendein Gesicht.
Ihn zu berühmen, das gelingt mir nicht.
Ereignislos, ein Tag wie in der Wüste,
so ging er hin – als ob ich dafür büßte,
dass ich mich so gewöhnt an den Verzicht.
Viel lieber würde ich von anderm reden,
von einem Tag, der im Gedächtnis bleibt,
den man sich stolz in den Kalender schreibt.
Doch finde mal auf dieser Welt dein Eden -
die Enge grauer Tage ist, was bleibt.
Wohl nichts, worüber man Sonette schreibt.
12.2.14
Ernüchtert
Man horcht zu oft zu tief in sich herum.
Ach, manchmal möchte man aus sich heraus.
Doch braucht ein jeder sein Elysium,
sein kleines angewärmtes Schneckenhaus.
Da wühlt er seiner Seele auf den Grund,
empfindet etwas, was er nie gefühlt,
begeistert sich an seinem Zufallsfund -
bis er dann gründlich wieder abgekühlt.
Streng nüchtern jetzt betrachtet er die Welt.
Vom vielen Innenhorchen wird man dumm,
hat er im Selbstversuch nun festgestellt -
ach, viel zu oft horcht man in sich herum.
8.2.14
Aus Alt mach Neu
Wie angewurzelt stand ich neulich hier:
Das alte Haus, in dem ich mal gelebt!
Was führte mich bloß her in dies Quartier?
Ach, irgendwas hat da in mir gebebt.
Da stand es also immer noch. Wie schön.
So aufgehübscht! Getüncht in Strahlendweiß!
Fast wollt ich sagen: Reizend, fotogen!
Geschockt stand ich vor diesem Jubelgreis.
Das Haus ist mehr als hundert Jahre alt,
es war, man sah’s, fürs arme Volk bestimmt.
Nun steht es da in schönster Blendgestalt -
die „gute alte Zeit“, auf Neu getrimmt.
6.4.13
Lila Stunde
Nicht jeden Tag ist man sehr disponibel.
Da stört die kleinste Fliege an der Wand.
Das wäre ja noch nicht das größte Übel –
man hat das eigne Ich kaum in der Hand,
entschuldigt sich, man sei ja so sensibel,
wenn hin und wieder aussetzt der Verstand.
Der Schaffensdrang ging heute echt daneben.
Nicht rot, nicht blau die Stunde – lila eben.
17.6.13
Da war doch was
Wie nichts fällt uns die Zeit so durch die Hände.
Man blättert den Kalender um und staunt:
Schon wieder ist ein ganzes Jahr zu Ende!
Man denkt ans Geld und ist gleich mies gelaunt.
Es wird sortiert, die mürben Fetzen fliegen,
man macht im Lebenshause Inventur.
Den großen Rest, den lässt man besser liegen -
so ist der Mensch in seiner Grundstruktur.
Dann blickt man in die Politik und schauert.
Der eingelatschte Stiebel triumphiert.
So mancher fragt, wie lange das noch dauert,
doch oben wird jetzt tapfer durchregiert.
Wer keine Bleibe hat, lebt unter Brücken,
der ist die Sorgen mit der Miete los,
schleppt seine Last des Lebens auf dem Rücken,
genießt die deutsche Freiheit ohne Moos.
Die Alten lässt man in der Suhle liegen,
die merken nichts mehr, die sind ohne Wert.
Die mümmeln bloß von längst vergessnen Kriegen
und wie es war an Mutters Küchenherd.
Wir andern aber trösten uns mit Hoffen,
vertrauen treu auf Gott und die Regierung.
Ein wenig, weiß man, bleibt da immer offen,
doch braucht man das als eigne Selbstgarnierung.
Nun ja, dies Jahr ist uns nun auch gestorben.
Wie alles, das sich nicht sehr lange hält.
Hat es die böse Dreizehn uns verdorben?
Ob Vierzehn dann? Das bleibt dahingestellt.
28.12.13
Alles fließt
Was dir fehlt, das ist jene kluge Stimme,
die Trost verspricht, die Seele salbt und sagt:
Beklage nicht Verluste und das Schlimme,
sieh, wie der Zweifel trübe an dir nagt.
Vergrab dich nicht in deinem schwarzen Grimme,
das Licht kommt wieder, wenn es morgen tagt.
Hinauf fließt nie und nirgendwo der Regen,
kein Sterblicher kann ihn dazu bewegen.
31.10.13
Man müsste II
Ich hätte größte Lust, mich fortzuschleichen.
Ganz einfach wortlos meinen Plunder packen –
so ein, zwei Buch, ein Handtuch sollten reichen.
Nach irgendwo, mit einem Fragezeichen.
Mir hockt der deutsche Trott zu sehr im Nacken.
Man müsste. Ja, man müsste. Man wird sehen.
Doch fragt es sich, wo gibt’s die Paradiese?
Die Welt ist groß, nur - wohin kann ich gehen,
vom Universum einmal abgesehen?
Bloß weg von hier - so die Devise?
Verbannt ins Grau von leeren Endlostagen,
bleibt mir von all der Sehnsucht nur das Träumen.
Da draußen wartet was mit tausend Fragen,
das ruft und lockt. Und ich muss ihm entsagen -
dem Wünschdirwas aus lauter Seifenschäumen.
15.6.13
Das Alter
Es gibt den Augenblick, der wiegt ein Leben:
Wenn Wirklichkeit hereinbricht in den Traum,
wenn da der Zufall steht, nur mal so eben.
Du kannst nicht fliehn, es fehlt der Ausweichraum,
du fühlst den Ruck in dir, das innre Beben,
dein Herz schlägt einen wilden Purzelbaum.
Dein Spiegelbild verrät, was dir geschehen.
Dann spürst du dich, beginnst dich zu verstehen.
14.10.13
Menschsein
Vertrau stets dem Gefühle, dem Verstand,
die aus dir selber sprechen, wahr und echt.
Dein eignes Herz ist nie ein Simulant,
was es für dich entscheidet, ist nie schlecht.
Und sprich für sie, die ohne Stimme sind.
Den Blinden führe auf den rechten Weg.
Hol den Verirrten aus dem Labyrinth.
Die Schwäche sei dir niemals Sakrileg.
Und lieb mit allen Sinnen, was da lebt.
Frag dich, ob auch ein andrer Anspruch hat.
Weil Kleinmut dir von Herzen widerstrebt,
sei dir das Menschsein wahres Postulat.
So müsst sie sein, vom Menschen die Idee.
Es gibt sie nicht. Und das tut öfter weh.
18.4.13
Ein seltener Abend
Vom Center flimmert das Reklamelicht,
die Straße kommt dir vor wie leergefegt,
nur irgendwo, dass eine Haustür schlägt.
Die Stille schiebt heut eine Sonderschicht.
Vom Nebenmieter hörst du nur Geraune,
sogar sein Hund hat heute Sendepause.
Bemerkenswert in diesem lauten Hause,
das hebt und steigert deine Abendlaune.
Du hörst der Stille zu und repetierst,
was dir am Tage auf die Leber drückte,
auch was dich ausnahmsweise mal beglückte.
Ein Spiel, das du gelassen absolvierst.
Du denkst, wie still der Abend heute ist.
Du traust dem Frieden nur, solang er währt,
und sehnlich hoffst du, dass er wiederkehrt.
Du bist und bleibst nun mal ein Optimist.
13.10.13
Katerstimmung
Zuweilen möchte man ein andrer sein
Und stiege gern aus seiner eignen Haut.
Den Weg hinaus hat man sich selbst verbaut,
man resigniert, verlässt sich auf den Schein.
Man müsste. Oder nein, doch lieber nicht.
Am besten ist es wohl, es ganz zu lassen.
Man ärgert sich, beginnt sich selbst zu hassen.
Dann liegt sie rum, die ungeliebte Pflicht.
Zuweilen, ach, man möchte ja zuweilen.
Der Anfang nur, der ist so schwer zu finden.
Das halbe Leben kann so tatenlos enteilen,
besteht dann bloß aus Unterlassungssünden.
Man siehts ja ein, man ist ein loser Kunde
und liebt nun mal die eingefahrnen Gleise.
Und dann gesteht man sich zu stiller Stunde:
Ein andrer wird man nie auf diese Weise.
30.9.13
Nur die Ruhe
Wir leben nur, weil wir nicht sterben,
betrachten ratlos-stumm die Scherben,
die übrigblieben von dem Feste,
und kümmern uns dann um die Reste.
Vorbei ist es mit dem Gelage,
denn nunmehr kommen harte Tage.
Die Welt ist nicht mehr, was sie war.
Vermummt kommt sie uns vor, bizarr.
Wir lernten schnell, zu akzeptieren:
Den Unsinn muss man ignorieren.
Wir wissen bloß, so muss es sein,
stirbt jeder doch für sich allein.
Wir leben noch, wir leben hin
und suchen kaum noch nach dem Sinn.
Uns fehlt nichts, wir sind hochzufrieden,
denn uns ist Wohlstand nur beschieden.
Und wenn man uns zum Schlachthaus führt,
dann hat sich da bloß wer geirrt.
29.9.13
Glaubensfest
Ich zweifle nicht, denn Zweifeln ist von Übel.
Ich glaube fromm an das, was man mir auftischt.
Was nützte mir auch schließlich das Gegrübel,
wenn mir der Sinn des Ganzen dann entwischt?
Doch Wahrheit braucht gewiss den dicksten Kübel,
auch wenn sie nichts und niemand mehr erfrischt.
Im Zweifelsfall greift jeder gern zum Hammer.
Danach erst kommt der große Katzenjammer.
18.6.13
Elegie
Der Morgen lastet regenschwer auf dir,
das Trommeln an verweinten Fensterscheiben.
Kaum lässt das Quälende sich noch beschreiben,
die dumpfe Düsternis, die Starre hier.
Ein Fasttod. Melancholisch weiß die Wand,
und fahles Licht weht müde in das Zimmer,
Vergeblichkeit, ein träger Tagesschimmer.
Du stirbst an dir, zu früh, bist ausgebrannt.
Schon zählbar, was dir bleibt von deiner Zeit,
durchs Stundenglas rinnt, was du nennst: Dein Leben.
Dich selbst hast du dem Nichtsein hingegeben.
Und todwund fluchst du deiner Einsamkeit.
15.9.13