Leben, nichts als dies
Durch die Stunden
Die Frage: Wer bin ich?
Damals wusste ich es, wie ich es
Heute vergessen soll.
Nein, legte die Hand
Nicht aufs Herz. Einfach leben,
Wissen, auf mich kommt es an, Welt
War da, und ich war Welt.
In den Nischen
Des Kleinmuts seither der Frost.
Wir erfrieren an uns. Wer
Erkennt sich noch?
23.2.17
Als die Bücher brannten
Als da die Bücher brannten in den Städten
und Goebbels seine Hasstiraden brüllte,
als Dichterworte schwarz im Rauch verwehten,
war es der Welt recht klar, was sich erfüllte.
Der Scheiterhaufen lohte den Verfemten,
und Kästner stand dabei in jener Menge.
Wo waren sie, die sich im Dunkel schämten?
Er sah sie still verschwinden im Gedränge.
Den Dichtern blieb die Flucht nur, das Exil.
Ihr Wort verstummte auf sehr lange Zeit.
Man schrieb in fremden Ländern im Gefühl
der Scham, der kalten Ausweglosigkeit.
In Deutschland triumphierte die Gewalt.
Dies war der Anfang nur. Wer zählt die Orte?
Der Heine-Spruch erfüllte sich sehr bald:
Es brannten Menschen. Nicht nur ihre Worte.
9.5.13
Weltschmerz
Die Welt ist ja so groß und unerklärlich.
Man sitzt in den vier Wänden vor sich hin
als Mensch und Mann und kleine Bürgerin.
Nicht unbequem, da sind wir doch mal ehrlich.
Die Menschheit stellt sich gegenwärtig taub.
Sie hat zu tun mit sich. Und keine Zeit.
Durchforscht jetzt ihre kranke Seele breit,
bewältigt ihren Alltag – mit Verlaub!
Fürs Überleben steigt der Aktienpreis.
Und keiner ahnt, was ihn das scheren muss.
Ansonsten nichts als heißer Brei und Stuss.
Nur manchmal ziept es uns im Herzen leis.
Es wird geredet. Aber nichts getan.
Die Sorgen kommen wieder, falls sie gehn.
Dass überhaupt und so, das ist obszön!
So rollt hinweg des Menschen Lebensbahn.
Die Welt ist ja so groß und höchst gefährlich.
Und keiner, der uns mal erklären kann,
warum es liegt und notfalls auch, woran.
Und wir stehn da, uns selber unerklärlich.
8.1.17
Des Wortes Courage
Eintreten Gedanken
ins Gedicht, in die Stille der Wände,
Worte, Wörter, Buchstaben,
dem Dunkel des Ungeschriebenen
Licht gebend.
Leben hineingeflucht,
erhabenes, besudeltes, unbezahltes,
entsorgtes Leben. Stimmen
der Straßen, der Wälder, der Lüfte,
die Seufzer des Menschen.
Dem Gedicht vor die Füße
die Handvoll Wahrheiten geworfen.
Wie, wenn am Ende aller Verzweiflung
die eine Wahrheit aufscheint,
einen neuen Anfang verspricht?
20.11.16
Dichtercourage
Wer nie das Wort gesucht,
Das eine, das unersetzbare, das flieht,
Das eingefangen werden muss
Mit dem Netz der Gedanken,
Und nun glaubt, er habe gedichtet,
Legt Hand an das Wort.
Der kennt nicht verzweifelte Nächte,
Der geht seinen Weg. Aber wohin?
Das Wort lichtecht machen,
In der Beleuchtung des Zweifels,
Des eigenen und dem der anderen,
Das ist es – und mit Unterschrift.
11.10.16
Entwurzelt
Mehr und mehr
verheilen die Wunden der Zeiten,
zurück bleiben Male, ungesprochene
Worte, treibend im Labyrinth
der Erinnerungen.
Hier aufgeschlagen
das letzte Lager, hier, wo nur
Taubheit zählt, nichts soll alten Schmerz
wecken, wo das höchste Gut
allein Anpassung heißt.
Manchmal die Frage noch,
warum Verluste und Gleichgültigkeit
von so granitener Härte sind,
dass alle jemals erträumten Sehnsüchte
ziehenden Wolken gleichen.
Und doch, die Trauer,
die nun ins Herz gezogen, wird bleiben,
Sprachlosigkeit, das Wissen in mir,
wie sehr verlassen man sein kann
in dieser Welt.
11.1.16
Still-Leben
Jahr um Jahr geht
ins Erinnern ein, und noch immer
derselbe Mond zwischen Wolken
von irgendwoher.
Schwer drückt die Stadt
auf die Erde, auf die Seelen, die schon
gestorben sind an den Kriegen
oder am Leben.
Unendlich die Nacht,
die kalt über die Dächer weht
mit ihrer Tonlosigkeit, der Angst
in dunkler Zeit.
Und wir denken,
das alles sei für ewig, unwandelbar,
dieses Ungreifbare, an dem wir
beinahe ersticken.
27.12.15
Eiserne Zeiten
Nicht meine Schuld,
dass die Schönheit den Larven
gewichen, dem willigen Leugnen -
wer klug, schweigt sich hinter
Worten aus der Welt.
Lichtlos gehen die Tage,
das gute Wort in der Schleuder
des Schlussverkaufs, und die Grimasse
jedes lebenden Dichters
hat ihren Preis.
Wie sie wiederfinden
in dieser Welt zertretener Seelen,
jene Schönheit des Wirklichen, ohne die
selbst die prachtvollste Rose
zum Scheusal wird.
21.12.15
Vogelflüge
Als die Himmel
davonflogen, als das Herz
einen Sprung tat ob des Verlustes,
als flüchtig die Frühlinge kamen
und gingen, als sei nichts gewesen,
rührten wir die Asche noch
unserer Träume.
Weinen, wie wahr, einzig
das Echte, wir erlagen der Sucht
nach den Flügen der Vögel
an den Himmeln über den Dächern,
unter denen wir schluchzten
mit verplombter Seele,
voll Schmerz, voll Trauer.
Und wir wussten,
jetzt kommen die langen Winter,
die gläsern durch den Tag gleiten,
unsere Träume verloren sich
in gestaltlosen Nebeln, wer wollte da
noch fliegen und hielte sie aus,
die hohen Himmel?
2.12.15
Ungeheuer Schweigen
Bewahren die Schönheit
des Menschen, der Städte, der Verse.
Wie finde ich mich in die Schuld
der Kriege, des zerstörten Lebens,
des belanglosen Gedichts, des Hauses,
in dem ich die traurigsten Nachmittage,
am Ende mich selbst vergesse.
Dieses Schweigen.
Dieses mundlose Ungeheuer, das unser
Entsetzen verleugnet, jedes verwandelt
in niemals Geschehenes und
selbst unsere Schreie umformt, umlügt
in taubensanftes Säuseln
kindischer Klagen.
Entehrt alle Schönheit,
Landschaften verkrüppelt, die Jahre
der Häuser übertüncht, als sollten sie
die Male verschweigen, die das Verdrängen
bis in die Sparren schlug, ohne Besinnen,
ohne Erbarmen mit uns
des Aufbegehrens Entwöhnten.
24.11.15
Auskunft
Schreib über das Heute,
über die Not und das vergossene Blut -
und du wirst dich zurücknehmen müssen,
wir sind beschäftigt, unsere Ohren
ertragen keinen Affront.
Die Möglichkeiten
stehen dir offen, du darfst über alles
schreiben, was uns von unerlaubten
Gedanken abhält, schreib über
verwitterte Pagoden im Lande Utopia.
Und frage nie:
Wer baute das siebentorige Theben?
Es stand da, als die Mythen geschahen,
die namenlosen Erbauer modern
in ihrer Bedeutungslosigkeit.
Versöhne dich,
ehe es zu spät ist, betäube dich, schließ
dich ab von der Welt, die nichts als Ekel
erzeugt, warte auf den Sonnenaufgang
eines besseren Morgens.
Aber vielleicht
reicht dir das nicht, du willst, dass die Welt
eine andere wird, du willst nicht warten
auf die neue Sonne? Dann - ach, Freund,
ich will ja nicht schwarzmalen.
8.10.15
Unsertwegen
Die Sprache der Verse
ist leise, verschwiegen zu oft,
als geschehe Welt nicht am Abgrund,
als dunkelten ewig die Wälder,
strömten ewig die Flüsse.
Gut, ein Gedicht zu schreiben,
das alles sagt von der Welt, die Augen
öffnet denen, die so lang schon
genarrt, Chance, endlich sich
selbst zu begreifen.
Dass die Trauer,
die kommt, nicht zum Strick wird,
der ihnen den Atem nimmt,
wenn die Freiheit, die uns gestattet,
an Börsen verhökert wird.
15.9.15
Tagesgedicht
So beginnt es, so endet es:
Unbestimmt, was aus dem Tag wird,
die Mühen der Tage gleichen sich,
glanzlos, ohne Gesicht.
Tage, die nie das Gedächtnis
beschweren, wertlos und kostbar,
Stundengäste, die kommen und gehen,
verzehrend den Atem der Zeit.
Kann sein, es kommt ein Tag,
der Platz nimmt an meinem Tisch,
wenn das Hoffen wieder erwacht,
das tötende Schweigen endet.
25.9.15
Gewissheiten
Aber dass man auch
auf Erden glücklich werden kann,
nicht erst im Himmel, darüber
schweigen die Bücher, das passt
nicht ins Szenario des Jenseits.
Wolken ziehen
auch ohne uns, das Herz schlägt
seinen gewohnten Takt, vielleicht
gibt uns das zu denken
hin und wieder.
3.8.15
Was werden könnte
In mir das Sehnen
ins Unbekannte, ins Fremde,
ins menschengemachte große kleine Leben,
das mich hinausträgt aus vielfach
lichtlosen Gegenwärtigkeiten.
Es könnte die beliebigste
Stadt sein, aber ein Ort doch, an dem
Turmuhren ihre Trauer verkünden
über verlorene, niemals
geschlagene Stunden.
Und ich denke daran,
wohin es uns ziehen wird, wenn
die Mären geheiligter Vergangenheiten,
von niemandem gelebt, endgültig
unlesbar geworden.
26.7.15
Bilanz
Du hast dich mäßig
eingerichtet in deinem Refugium,
das dir zugestanden, das den
kleinen Freiheiten Atem lässt
vor dem Ersticken.
Wenige, die dir geblieben,
hienieden kein Sang noch,
die Botschaften der Sprache
erhellen nichts mehr, die Gruben
sind ausgehoben.
Was bleibt, ist ein Ahnen
von Glück irgendwann in den
Seiten der Bücher, in ungeborenen
Versen der Dichter, die
nach uns kommen.
4.5.15
All diese Mitten
Nicht die Stunde,
den neuen Tag anzurufen,
dunkle Abende wehen
ins späte Land.
Uns führt es durch
wirre Träume, wir sehnen
uns nicht, Leben als
randloser Zustand.
Entleihen uns
Silhouetten des Schmerzes
für laue Tage, warten
auf Tröstungen.
Von Ängsten die
die Seelen erfüllt, übervoll,
eingezäunt ins Ahnen,
und nichts, das sich rührt.
29.4.15
Von der Poesie
Die Sprache der Poesie weiß
von unserer Liebe, unseren Träumen,
unseren Schwächen und Irrtümern,
sie kann uns erhöhen und erniedrigen,
sie sagt uns, ihr habt nur diesen
einen Planeten unter den Füßen,
er ist vergänglich.
Die Poesie formt Abbilder
zu Worten, sie schreit nicht, ihr Reden
ist Klang, ist klirrendes Eis, das Lächeln
eines Kindes, ist Vernunft und Unvernunft,
und wem die Poesie Augen und Seele
öffnet, begreift sich selbst hernach
als Mensch ganz.
26.4.15
Dichters Grübeln
Nicht wissen, was
zumutbar ist ihren Gemütern,
schreib nicht von Krieg und Tod,
lach, bis du weinst im Schlaf,
nimm dich zusammen
Warum nicht die Liebe, die
kommt immer an, ein bisschen
sexistisch, ein bisschen
gymnastisch, auf bunten Wiesen
oder sonstwo
Und denk an die Sterne,
so ein Himmel ist weit, da haben
sogar die Wolken Platz,
und drunter das einsame Herz,
das reimt sich auf Schmerz
Vergiss nicht den Frühling,
den Sommer, den Herbst und den
Winter, nicht die armen Hunde
und Katzen, so kommst du
durchs Jahr
Aber halt dich raus!
Was geschieht, das geschieht
auch ohne dich, du kannst es nicht
ändern, lebe poetisch-ästhetisch
und trink deinen Tee
19.4.15
Atmosphäre
Unter dem Licht sitzen,
die Kühle der weichenden
Nacht auf der Haut,
erste Geräusche der Straße,
fremd aller Poesie.
So der Morgen,
wenn die Nacht aus Träumen
erwacht und unentwegt
eine energische Amsel
die Frühe besingt.
Allmählich werden
Gedanken zur Form, Fragen,
die sich von selbst ergeben,
und vorm Haus startet
jemand sein Auto.
14.4.15
Dass du dich erinnerst
Alles braucht seine Zeit,
kein Gras wächst über Nacht,
deine Briefmarkenwelt, sie gab dir
zu denken, es häuften sich
kleine und große Abschiede.
Dich trieb es, was dich bewegt,
in Verse zu setzen, in Stanzen
und Sonette, die kaum
jemand las, die nichts veränderten,
weder die Welt noch dich.
Du spürtest, da muss
noch mehr sein, die ganze Welt
in einem Gedicht - war das
nicht dein Traum, hochfliegend
und nie erreicht?
Heute, mitunter,
fallen dir ein paar Zeilen ein,
das Erinnern schmerzt, du lächelst,
und das alte Papier duftet
wie feuchtes Heu.
7.4.15
Winterahnen
Die Trauer, die jetzt
in die Blüten zieht, sie
ahnte sich längst, als noch
die Tage grünten.
Sage niemand,
er hätte es nicht gewusst,
die Zeichen liefen wie
Lettern durchs Herz.
Winter, du großes Tier,
in den Seelen, in den Adern,
wir seufzen, da bleibt
nichts als dies.
30.3.15
Gedächtnislinien
Bin hier und in die Winde
gestreut, in die gemarterte Zeit, ohne
Traum, mit undankbaren
Erinnerungen, kein Pfad führt
zurück, dies kein Garten Eden,
kein Ort für Gedichte.
Auf mich warten die Winter,
es ist ja nicht so, dass Träume ins
Nichts vergehen, der Schmerz nicht
vergeben, nie und niemandem;
wie mit Kälte und Eis leben,
wenn ich wüsste.
28.3.15
Ortswechsel
Heimkommen zu uns
unter wechselnden Farben der
Himmel und des Erdkreises,
festhalten den Moment
als wir ins Licht traten
und uns erkannten und sahen,
es gibt eine Welt außer uns
mit Wolken, Bergen und Meer
die Welt des Schmerzes,
von der die Vorväter wussten,
die noch mit den Seelen
sprachen von Du zu Du
Wiedererwecken
verkümmerter Träume,
heimkommen zu uns,
das wäre was
24.3.15
Stille der Störche
Wohin werde ich gehen
heute und später, wo
das Gedicht schreiben, das alles
verschweigt und grenzenlos
alles sagt.
Ich Ohnehaus,
ohne Trost, ohne Schuld,
hart das Herz aufgeschlagen,
ach, da waren der Jäger
so viele.
Wo schlafen die Träume,
kein Wegweiser führt zu ihnen,
ich irre umher, störe
die Stille der Störche, sie
pflügen den Himmel.
Ich seh mich nicht um,
lauf hin in die Landschaft,
kein Abschiedsgruß
meiner Liebe, wo sein noch,
nirgends ein Ort.
18.3.15
Ganz normal
Das Gestern
längst vergessen, es waren
dieselben Sorgen wie die von heute
und die es morgen sein werden,
so durch die Jahre
Wer glaubt den Verheißungen
von gestern, und wer
glaubt sich selbst noch, statt
fordernder Klugheit immer nur
kleine Gescheitheit
Die Warnzeiten sinken
bedenklich, noch kreist das Blut,
der Zug ohne Fahrplan rollt uns von
Station zu Station und die
Vernunft in den Schlaf
14.3.15
Lehrstunde
Dinge benennen, die noch
keinen Namen haben, die aus dem
Nichts Geborenen, immer
befürchten, dass eines Tages
die Wörter fliehen
Die Zeilen und du
auf dem Glatteis der Verse, bereit
zum Gespräch, ewige Suche
nach der Balance zwischen
Himmel und Abgrund
Worte sind Worte nur;
unversehens erkennst du dich,
wenn zwischen den Zeilen
etwas wie Unvernunft aufscheint
von dir und von allen
10.3.15
Blättern in alten Büchern
Sprächen die Verse in die
Lautlosigkeit unseres Schweigens,
in die Glut schlafender Sonnen,
mit offener Stirn, Zeile für Zeile
aus heißem Beginnen.
Gesetzt, sie sprächen von
den Phantasmen jener Heutigen,
die sogar den Toten die Würde
der Endgültigkeit nehmen wollen,
ihre Blumengräber ebnen.
Wäre das Schweigen
noch zu ertragen, die dumpfe Stille
ruhmreicher Niederlagen, mit der wir
uns schmücken, dem Lorbeer
bitterer Verluste?
Die toten Dichter sprechen in Versen,
sie rühmen unser Menschsein, ihre
Testamente niedergelegt in ledernen
Büchern, Zeichen der Trauer,
die Toten haben gesehen.
6.3.15
Erfahrungswert
Nun die Stunde, in der
du begreifen willst, dich selbst und
das nicht Sichtbare, was du dir
immer ersehnst, genannt
dein Traum von Welt
Was hinter dir liegt
die Enttäuschung, der Schmerz
des Verrats, die Leichtigkeit, mit der
wir uns selbst aufgeben, sobald
dunkle Zeichen aufziehen
Nichts zählt; und dann gehst du
vorüber an denen, die nichts mehr
erwarten, die nur auf die Münze
hoffen, die dann und wann
in den Blechtopf klirrt
24.2.15
Tapfere neue Welt
Was für ein Wochentag heute?
Den Kalender umblättern, nichts von
Belang, Zeit fürs Gedicht, in dem
wir nicht vorkommen, wir, der
Rest der Welt
Sie empfehlen die
Akklamation ihrer Parolen;
was wir sonst noch schreiben
dürfen, sie wissen, es hat die
Bedeutung Null
An diesem Tag im Februar
bedenke ich Defizite meiner Person,
ich bin nicht gemacht fürs Dekor,
spreng das Gedicht in die Luft
dass nichts bleibt
22.2.15
Örtliche Verschiebung
Nunmehr zwei Länder
in einem war ich, im anderen
bin ich, die Fahnen gewechselt
und keine Rede von Liebe, auch liebt
man wohl nur aus der Ferne
aus eigenem Fühlen, in Schmerz
und in Leiden
So gehen die Tage, die Nächte
sie sagen dir, wer du bist; vielleicht
dass in den Katakomben
unserer Gedächtnisse ein Ort
existiert, an dem wir uns erkennen;
in meinen Versen sogar
suche ich mich
18.2.15
Verse, warum sie
Lasst die Wörter fliehen
aus den Gedichten, zu müde die Welt
zu traurig, Verse ertragen zu können
wir wollen nicht Glanz noch
Licht auf allen Dingen
In großem Dunkel
betreten wir die großen Winter
wir sind Realisten, wohlwollende
Statisten, unerklärlich die Welt und wir
als Beipack mittendrin
Wir sind unser eigenes
Stillleben in marmornen Särgen
wenn das Eis kommt, bleibt Zeit
für Erkennen und Klagen
so man uns lässt
18.2.15
Wiederkehr
Vielleicht
begegnen wir uns noch einmal
in unseren Träumen
gegangen durchs Leben
sind wir wie Wind
Vielleicht
begreifen wir uns dann endlich
nichts verwehrt sich
todeslänglich, unsere Worte
klirrten wie Stahl
Vielleicht
umarmen wir uns in den Träumen
wir sind Menschen
vergänglich auf die Erde
gekommen wie Salz
13.2.15
Philosophen
Die Toten bekommt man nicht
zu fassen, je weniger sie wissen, desto
besser schlafen sie, sagte neulich einer
zum anderen und griff zum Bier
Das Konzept Mensch geht nicht auf
hinter den Zahlen, hinter den Ruinen des
Wohlstands, da bleibt noch was
offen, der Rest Mensch
Sie rechnen nicht mit dem fremden
Gedächtnis, die Barbarei der
Zivilisation ebnet die Lücken ein
zwischen Reichen und Armen
Das Recht auf Dummheit
garantiert die freie Entwicklung der
Persönlichkeit, O-Ton Mark Twain
sagte er und griff zum Bier
Und Putin der Schreckliche
der hat noch den Mut zum Schnörkel
Beten ist angesagt, sagte der andere
und griff zum Bier
11.2.15
Schöne Aussicht
Unser Aufenthalt in der Zeit
ist vergänglich, die uns bemessenen
Tage schmelzen dahin wie Schnee
im Frühjahr, wenn der Planet Erde
der Sonne sein frierendes Antlitz
zuwendet und die Amseln
erste Gesänge probieren.
Schwer zu begreifen;
unsere Einmaligkeit erhofft sich
Unsterblichkeit, unsere
Hinterlassenschaften beweisen
vielfaches Gegenteil, die Mauern
von Troja sind längst gestürzt, fraglos
wird auch Manhattan versinken.
Was geboren, wird Rauch,
allmählich verglüht es unter den
Sonnen, unsere Verse verstauben
im digitalen Archiv, die nach uns
kommen, belächeln uns; da ist
kaum Hoffen, unbekannt,
namenlos gehen wir.
10.2.15
Ahnen, was ist
Nichts erklären wollen
meine Verse, keine trügerischen
Hoffnungen wecken in uns
sie wollen nur sein
Die großen Worte sind es
nicht, es sind die kleinen, die
man so leicht übersieht
wie vergrautes Gras
Kann sein, ich sehe die
ziehenden Wolken und mir
kommt eine Ahnung von dem
was sein könnte
Und die große Versuchung
Wahrheit zu schreiben; manchmal
kommt sie unversehens, in
einem zufälligen Vers
9.2.15
Offenes Wort
Die Sprache finden
deine Sprache, ein Kampf mit dir
selbst, kein Waldspaziergang
bei schönem Wetter, Gegenwinde
wehen dich um, es hagelt,
wenn du es nicht vermutest
Kein Wohlfühlreich das Land
der Verse, Arkadien liegt
in Trümmern; um zu leben, isst der
der Mensch, das Messer an der
Kehle und sonst nichts, wir
existieren im Wirklichen
Das Leben, die zahlende Kunst,
das Ungesagte zwischen den
Wörtern; schon ein Komma kann
alles verändern, und du stürzt
vom Himmel auf die Erde,
auf deine zwei Beine
5.2.15
Verständnis
Du begreifst dich erst im
Gegenwind, wenn die Poesie dich
anweht, zufällig, und du hernach
du selbst wirst, aber vielleicht
erzählen Verse dir nichts von den
Verrücktheiten des Lebens
Für dich zählen Tatsachen
mehr als das Ungreifbare, aber
wie siehst du die Wirklichkeit der
Dinge, die manche Dichter
ungewohnt bis zur Kenntlichkeit
in Versen verstecken
Den Fluchtburgen, in denen
sie sich einrichten, ausgelaugt
bis zur Verzweiflung, ach,
oftmals wiegen Worte schwer,
du lässt sie viel zu leicht
aus den Händen
3.2.15
Heimatkunde
Zu jenen Zeiten
als man die Lüge eine Lüge nannte
als die Dichter Verse auf Flügeln schrieben
überstieg der Wert eines Lebens
alles Menschengemachte
Wir sagten Brot, wir sagten Wasser
und wir meinten das Brot und das Wasser
wir sagten Rosen, und wir rochen ihren Duft
schon beim Wort, und ein Apfelbaum
war ein Apfelbaum
Die Zeit schlägt ihre Alterssitze auf,
sie spricht ihre genormten Wahrheiten aus,
die Dichter hausen in Eiffeltürmen,
und der Zeitwert menschlichen Lebens
bemisst sich in Nanosekunden
Ich sage, meine Sonne ist die
Trauer, ich bin ein Schatten, und ich weiß,
wohin ich fallen werde
31.12.14
Lob des Unvollkommenen
Manchmal gelingt mir ein Gedicht
beinahe, ungeschminkt sage ich, dass da
ein Riss ist, der durch uns alle geht, mit dem
wir uns aussöhnen, als sei er ein guter Bekannter
denn vielleicht wären wir ohne ihn vergebens
in der Welt, Vollkommenheit ist Nonsens
Ich spreche mich nicht frei, der Streit
um Ästhetik oder Nichtästhetik berührt mich nur
marginal; ich lebe in keiner Verlassenheit
von Zeit, mich schmerzt die Trauer der Verse
wenn eines Tages niemand sie mehr
schreiben, niemand sie lesen wird
31.1.15
In solchen Zeiten
Es ist nicht meine Schuld,
dass die Schönheit verlorenging,
beschreibe ich in meinen Gedichten
die Welt, wie sie nicht sein sollte
Aus unserer Sprachlosigkeit
schreibe ich, mit der wir das Unrecht
befördern, benenne unser Stillhalten,
wenn Schuldlose gerichtet werden
Wenn Hunger Menschen sterben
lässt und wir zum Schleuderpreis
Schönheit kaufen, für die unsere
Vorväter das Leben ließen
28.1.15
Schreiben absurd
Das Gedicht wächst
in mir, Schreiben vom Riss in der
Welt, von Reinheit und Schwäche,
die ungeschriebenen Verse schon beim
Gedanken an sie verworfen.
Von Angst und Verleumdung
Ignoranz und Verklärung der Zeiten,
dass der Tod Tausender
Hoffnungsuchender nicht mehr ist
als eine Randnotiz.
Dass Gewinne wachsen
wie Unkraut in Ruinen von
Menschenträumen, aufschreiben
die Nächte voll Kummer, die
unsägliche Erschöpfung.
Dass es kein Ende gibt
dass wir es uns nicht eingestehen;
Schreiben absurd, ich vernichte
Metaphern, zu lieblich für das
was kommen kann.
24.1.15
Geologie
Die Erde ein einziger Riss, der
auch mich zerreißt, der mich zu schreiben
zwingt; was wären die Verse
ohne das Blut der Rosen, ohne Liebe
wenn ich das Lippenrot mit dem Grau
des Morgens nach der Liebe vergleiche.
Das Maul der Straße aufgerissen
Schlund, der alles verschlingt, ohne Schuld
die Häuser, die Bäume, die Autos
und meine Sehnsucht, das Wort zu finden,
das alles erklärt, worin das Wunder
der Erde bestehen müsste.
18.1.15
Die große Versuchung
der Dichter, Wahrheit zu schreiben
das, was sich hinter geschminkten
Mäulern verbirgt; wer Wahrheit schreibt,
weiß es zu gut, er muss bezahlen
Dennoch Wahrheit, doch ja,
es gibt sie, die Feuilletons bezweifeln
dies; unspektakulär kommt sie
zwischen den Zeilen, manchmal
in einem beiläufigen Vers eines
zufälligen Gedichts.
11.1.15
Engagement
Sie verbarrikadieren sich
hinter Mauern der reinen Gelehrtheit, reden,
zerreden Jahrzehnte, planen, erfinden
Widersprüche, unlösbare, von
Ästhetik und Politik.
Alles ist offen,
dem guten Licht des Bergmanns gleicht
das Gedicht, Formen, glänzend gefügt,
spinnen Goldfäden aus
fahler Trauer.
Gute Verse erinnern uns
der eigenen Schwingen, singen, fabulieren
von fassbarer Welt, jenem
nie erreichten Arkadien, nach dem
wir seit Anbeginn süchtig sind.
5.1.15
Zeitlosigkeiten
Ich fliehe, ich jage den Zeiten
davon, die Handvoll Leben im Gedächtnis,
meine Trauer trifft auf leere Gesichter,
lebensgefährliche Gleichgültigkeit.
Orte, all diese, von denen ich
gehört habe, sie sind des Trauerns wert,
Orte, sie heißen Baltimore, Gaza,
Donezk oder Damaskus.
Mangels Beweisen verrufen,
versündige ich mich an Schlagzeilen,
Zweifeln zugeneigt, nicht jung genug,
Einfalt in Hymnen umzudichten.
4.1.15
Krümelpick und die Kritik
Herr Krümelpick weiß immer, wo es langgeht,
sein Riecher spürt, woher das Windchen weht.
So ist es auch kein großes Wunder nicht,
wenn er mit dickem Hals sein Urteil spricht.
Beweise braucht er nicht, er abstrahiert.
Ihm reichts, wenn er behauptet und doziert.
Setzt sich gekonnt in auserwählte Pose,
er weiß von allem etwas, kennt die Chose.
Erfindet Regeln, doch woher, weiß keiner.
Mit jedem Wort macht er den Dichter kleiner.
Und auf ein Wortspiel drückt er seinen Finger:
Ogottegott, was sind denn das für Dinger?
Aus allen Rohren schießt er auf den Dichter.
Denn als der Kritiker ist er auch Richter.
Der Angeklagte traut sich nichts zu sagen,
den Krümelpick, den muss man halt ertragen.
Der Ärmste schifft sich beinah in die Hose.
Als wahrer Dichter macht er auf Mimose,
er schluckt beleidigt und schweigt renitent.
Denn tut ers nicht, gilt er als resistent.
Herr Krümelpick beruft sich auf Vernunft,
dies sei das Hoheitszeichen seiner Zunft.
Im Namen aller Dichter spricht er Recht:
Der Text ist leider pfui, ist grottenschlecht!
Doch trifft er mal auf einen Geistesbruder,
entpuppt er sich als ein gewieftes Luder,
er lobt gewaltig, was zu loben geht –
sein Riecher spürt, woher das Windchen weht.
12.9.13
Vita
Ich will meine Trauer,
meine Geschichte nicht verlieren, nicht,
was ich meine Irrtümer nenne, nicht
die Zornesfalten und nicht
die Schönheit des Menschengesichts.
In mir lebt das Echo der Zeit,
das Fernsehen sagt, meine Zeit hätte es
nie gegeben, eine Schimäre sei sie,
der Stern, der mir den Weg wies,
habe mir Trügerisches versprochen
und nun sei er ein kalter Stern,
verstehen lernen müsste ich nunmehr
gelehrte Legenden.
Nein, kein Verzweifeln,
ich lebe mit meiner Geschichte,
nicht gut, nicht schlecht, immer bleibt
etwas offen, jeder Tag
ein kleines trauriges Lächeln.
26.12.14
Missgeburt
Nun schreibt er täglich ein Gedicht,
mit dem er nächtlich schwanger ging.
Und er gebiert ein Leichtgewicht,
beäugt den dürren Abkömmling.
Das arme Ding, es rührt ihn sehr.
Er weiß um seine Vaterpflicht:
Verstoßen tät er's nimmermehr.
Denn immerhin ist's sein Gedicht.
23.8.1315.5.14
Lob des Kitsches
Das scheint uns Menschen einfach angeboren,
das steckt in jedem drin seit Anno Schleim,
dass wir uns liebend gern im Kitsch verloren -
gehört zum trauten Wohlsein im Daheim.
Man zählt ihn immer schon zu den Faktoren,
die man bloß schlucken muss wie Honigseim.
Die Welt ist voll des Guten und des Schönen.
Der Kitsch, er lebt! Wen höre ich da höhnen?
25.5.13
Stundengedicht
Dies die seltene Stunde
des Verweilens, glücklich vergräbst
du dich in durchsichtige Stille, verstrickst dich
in ein Gespräch mit dir selbst.
Du fühlst dich wohl in dem Kokon
des Gespinstes deiner Wirklichkeiten,
du diktierst der Nachwelt dein Testament,
dir steht ein Urteil zu.
Vom Leben enthauptet,
verliebt ins Erinnern, in Phantasmen,
erkennst du dich selber doch nie;
was bleibt, ist die Stunde.
20.12.14
Bekenntnis
Beschreibe ich die Trauer,
krümmt sich das Echo der Wörter
in meinem Leib wie ein
abgestorbener Fötus.
Ich, Schatten meiner selbst,
gefesselt an die Farblosigkeit des Heute,
verfang mich in den Netzen
der Reglosigkeit.
Alles versinkt.
Häuser, Straßen, Städte ein Konglomerat
versteinter Tristesse. Die Trauer
legt sich auf Vögel und Bäume,
ernüchtert schleppe ich mich durch die
Wüste der Nichtigkeiten.
Zeit der Umkehr.
Das Gewebe aus Hoffen
und brennender Lust aufs Ungewisse
hat seinen Glanz verloren, nur diese
Trauer, der blutende Schmerz.
13.12.14
Dichtercrux
Die Sprache macht es, wird sehr oft gesagt.
Drum treiben Dichter manches auf die Spitze,
sie mühen sich ums Wort mit wahrer Hitze,
vom späten Abend bis es morgens tagt.
Jetzt klingt das Wort, jetzt ist es abgehakt.
Nun ja, kein Wunder, denn bei dem Geschwitze
saugt man schon mal an fremder Dichterzitze,
auch wenn sie tümelt und ist hochbetagt.
Ihr Dichter, habt ein wenig doch Erbarmen
mit Lesern, die Gedichte lesen wollen,
nicht gerne raten, was der Dichter meint.
Habt Mitleid mit den Lesern, diesen armen.
Schreibt klar und lasst das dumme Schmollen -
der Leser ist der Leser und kein Feind.
8.9.14
Dichterlesung
Wer kennt sie nicht, nervöse, dicke Herren
von jenem Stamm, der stolz sich Dichter nennt?
Wenn sie von ihren Seelenschmerzen plärren,
dann spürt man gleich: Das ist ihr Element.
Der rollt die Augen, rudert mit den Händen -
dass Hörern kalt es übern Rücken kriecht,
das Dichterwort verkrallt sich in den Wänden …
Verpönt ist bloß, was sehr nach unfein riecht.
Vom Himmel holt der Mann die güldnen Sterne,
die Liebe ist's, die ihn zum Schmelzen bringt.
Beschwört sehr eindrucksvoll dann die Moderne,
das Publikum begreift gebannt: Er ringt!
Um jedes Wort, es brennt ihm auf der Seele!
Er girrt, er flüstert, sehr geheimnisvoll,
ein spitzer Schrei entfleucht gar seiner Kehle.
Er gleicht beinahe nun dem Gott Apoll.
Noch sind die letzten Verse am Verhallen,
berauscht saugt er der Seelenklänge Duft.
Erschöpft lässt er sich in den Sessel fallen,
er ringt mit sich und schwer nach Atemluft.
Nun ja, den Herrenwitz am guten Ende,
den kleinen Spaß, den hat er immer drauf.
Dann kommt die Bitte um die Eintrittsspende,
ein Bücherstapel wartet auf Verkauf.
Grandios der Abend, wieder mal gelungen!
Der Beifall tost. O welch ein Publikum!
Der Dichter dankt gerührt mit Engelszungen.
Die Welt der Dichtung – sein Elysium!
2.9.14
Zwischen Welten
Nun unter Pappeln
wohnt meine Sprache, den duftenden,
den windrauschenden, den verlachten
unter den Bäumen.
Was verloren gehen will, berge ich
in kühnen, behutsamen Sätzen, die Wörter
gefangenes Glück, gefangen in den
Netzen der Verse.
23.6.14
Poetenkult
Du liebe nur, lieb dich nur selbst am meisten
(dein Glück, da hast du keine Konkurrenten).
Du labst dich an den eignen Komplimenten -
wer tut das nicht? Du kannst sie dir ja leisten.
Nein, über Liebe lässt es sich nicht rechten,
so eine Liebe kann schon mal passieren.
Du musst dich dafür auch nicht mal genieren,
wenn dir die Leser Lorbeerkränze flechten.
Narziss, man kennt noch heute die Geschichte,
(sie zu erwähnen, könnt ich mir fast sparen)
ist einst derselbe Irrtum widerfahren.
Ob's stimmt? So lauten jedenfalls Berichte.
24.4.14
Das schöne Nichts (Shakespeare-Sonett)
Lass ab, du Leser, such nicht nach dem Sinn,
kein Dichter hat noch etwas zu verkünden!
Wohl liegt in diesem Fall ein Garnichts drin,
doch suche nur, vielleicht wirst du was finden.
Dem Dichter kommt das holde Dichten an.
Ein bissel dies und das. Nur bissel dichten,
mehr will der Dichter nicht, der brave Mann,
will ernst sein ernstes Tagewerk verrichten.
Wie schön es klingt, doch fehlt die Prise Geist.
Er lauscht in sich hinein und in die Stille
und fühlt, dass ihm der leerste Reim entgleist.
Wie unergründlich doch der Musen Wille!
Des Dichters Los ist ernstlich zu beklagen:
Für heut muss er dem innern Drang entsagen.
19.4.14
Er kann's nicht lassen
Vom Dichten herzlich angetan,
beglückte uns Freund A. mit Versen.
Sogleich brach da ein Jubel an,
es schwiegen alle Kontroversen.
Frau B. umhalste ihn emphatisch:
Nie hat sie Edleres gelesen!
Es war, wie man so sagt, dramatisch,
das ist der Guten zweites Wesen.
Zu Füßen liegt ihm nun die Welt,
man spricht von einem Prometiden.
Allein, wer was von Dichtung hält,
hat den Erguss pikiert gemieden.
Freund A. jedoch ist hocherfreut,
er schustert weiter Vers und Strophen.
Nicht, dass ihn seine Dichtung reut -
ihm liegen nun mal Katastrophen.
3.1.14
Querulantenstanze
Ich müsste herzlich schätzen dieses Land,
das ständig äugt auf meinesgleichen doch.
Nur habe ich das nicht in meiner Hand,
denn jeder ist nun mal sein eigner Koch.
Ich bin, ich bleib der freche Querulant,
sehr ungern los wär ich das schwere Joch.
Missbilligt immer meine Verse nur!
Ich bleibe trotzdem weiter in der Spur.
15.1.13
Schreiben – wozu?
Da sitzt du Stunden schon, quälst dir was ab.
Empfindsam, wie du bist, will nichts gelingen.
Kein Wort, kein Reim bringt dich auf Trab -
der arme Dichterkopf will fast zerspringen.
Bei den "Poeten" fließt und strömt es bloß,
sie lassen sich von den Gefühlchen treiben.
Du aber streichst und streichst nur rigoros,
bedauerst dich, denkst fast schon ans Entleiben.
Du zweifelst an dir selber, nicht zu knapp.
Du fragst: Wozu denn überhaupt noch schreiben?
Du gibst die Schminke, tünchst bloß das Make-up.
Und alles nur um dieses bisschen Bleiben?
Und du stehst da, fragst dich nach einem Sinn.
Du weißt, auch ohne Schreiben kann man leben.
Was wäre denn, wärst du nicht Dichterin:
Das hieße doch, sich kampflos zu ergeben.
Du blickst dich suchend um: Du stehst allein.
Und doch, es flammt, du kannst ihn kaum erkennen,
am trüben Horizont ein schwacher Schein.
Dein Leben lang wird er im Herzen brennen.
3.3.14
Die „andere Lösung“
Was gilt in Deutschland eines Dichters Wort?
Wir wissen es: Noch weniger als nichts.
Poeten leiden schmählich unter diesem Tort,
gern wären Mahner sie des Weltgerichts.
Um diesem Anspruch endlich zu genügen,
beschloss man in der Stadt Berlin verwegen,
die Wahrheit mit dem Worte zu verbiegen,
das kam dem Snobbymob nicht ungelegen.
Betroffen mimten sie den Biedermann:
Der Assad schlachtet da sein eignes Volk!
Ganz oben war man herzlich angetan,
die Dichter waren stolz auf den Erfolg.
Nicht jeder Dichter ist auch gleich ein Denker,
zu oft wohl sprach das Urteil die Geschichte.
Es war schon mancher Dichterling ein Henker,
doch nie stand dieser Kerl vorm Weltgerichte.
Die „andre Lösung“ ist schon bei der Hand.
Im Geist schon tut der Lynchpulk, was er kann.
Nur Scham ergreift noch jeden bei Verstand.
Man möchte kotzen wie einst Liebermann.
13.12.12